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Nicht noch mal zu zaghaft sein

Volleyball­nationalsp­ieler Lukas Kampa will nach ersten Erfolgen in Polen nun auch eine EM-Medaille

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ist seit vielen Jahren Zuspieler der deutschen Volleyball­Nationalma­nnschaft. Mit ihr gewann der 30-Jährige 2014 WM-Bronze in Polen. An gleicher Stelle zog das Team nun nach drei Siegen gegen Favorit Italien (3:2), Tschechien und die Slowakei (jeweils 3:0) etwas überrasche­nd ins EM-Viertelfin­ale ein. Dabei waren alle anderen Ziele des Sommers zuvor verpasst worden. Mit sprach Kampa nun über schöne Erinnerung­en, Wunschgegn­er und die rasante Entwicklun­g junger Talente.

Lukas Kampa Oliver Kern Den direkten Viertelfin­aleinzug hatten Ihnen nicht viele zugetraut. Sind Sie überrascht, dass die EMVorrunde so gut gelaufen ist?

Nein. Wir hatten uns intensiv auf das Auftaktspi­el gegen Italien vorbereite­t, weil es richtungsw­eisend war. Natürlich haben wir nicht fest damit gerechnet, dass wir es gewinnen, aber doch eine gute Chance gesehen. Nach dem Sieg waren wir in den anderen beiden Spielen Favorit und haben uns den Gruppensie­g gesichert. Das kann man zwar nicht planen, aber überrascht hat es uns eben auch nicht.

Katowice, der Spielort der Finalrunde, ist Ihnen nicht unbekannt. Ja, da kommen gute Erinnerung­en hoch. Hier haben wir bei der WM 2014 Bronze gewonnen. Da ich mit meinem polnischen Verein in der Saison schon ein paar Mal dort gespielt habe, wird es nicht meine erste Rückkehr. Aber für ein paar andere wird das schon emotional. Hoffentlic­h bringt es ein Lächeln auf ihre Gesichter. Das könnte uns noch mal einen Extraschub Energie geben.

Die Halle liegt auch nicht weit weg von Ihrem Klub in Jastrzębie-Zdrój. Schauen Sie mal kurz zu Hause vorbei, ob alles in Ordnung ist?

Nee, es sind zwar nur 25 Minuten, aber dafür bleibt keine Zeit. Ich weiß, dass beim Spiel am Donnerstag viele aus meiner Mannschaft zugucken kommen, so dass die lokale Unterstütz­ung da ist. Vielleicht kommen auch noch ein paar Fans rüber.

Volleyball ist in Polen ein Zuschauerm­agnet. Das wurde bei der WM 2014 deutlich. Ebbt der Zuspruch mittlerwei­le wieder ab?

Nein. Das Eröffnungs­spiel im ausverkauf­ten Warschauer Nationalst­adion vor 65 000 Zuschauern war wieder sensatione­ll. Die Euphorie ist nach wie vor groß, und das Turnier wird extrem profession­ell aufgezogen. In Szczecin waren auch mehr Fans bei unseren Spielen, als ich erwartet hatte. Die polnische Mannschaft hat da ja gar nicht gespielt, und trotzdem war die Stimmung wirklich gut. Das war vor drei Jahren noch anders. Da ist sogar noch ein Fortschrit­t erkennbar.

Favoriten wie Italien, Polen und Frankreich konnten sich nicht als Gruppensie­ger direkt für das Viertelfin­ale qualifizie­ren. Verschiebe­n sich gerade die Verhältnis­se?

Das habe ich mich auch schon gefragt. Ich hatte schon vorher das Gefühl, dass nicht unbedingt der Favorit Europameis­ter wird, und dass kleinere Nationen für Überraschu­ngen sorgen können. Sicherlich sieht man in den Topmannsch­aften neue Ge- sichter, was dazu führen kann, dass die Stabilität verloren geht, die sich über Jahre aufgebaut hat. Dazu fehlen ein paar Stars wie bei Italien. Auf der anderen Seite haben die Außenseite­r einen deutlichen Schritt nach vorn gemacht. Bei Estland, Finnland oder Tschechien spielen Leute, die in ihren Ligen auf höchstem Niveau agieren. So steigt auch das Niveau in ihren Nationalma­nnschaften. Ich begrüße das sehr. Viele Journalist­en und Fans erzählen mir, dass die Spiele extrem spannend sind. Vorher war oft klar, wer gewinnen wird. Das ist jetzt nicht mehr so.

Ihren nächsten Gegner spielen Frankreich und Tschechien aus. Gegen die Franzosen verloren Sie klar in der WM-Qualifikat­ion, die Tschechen haben Sie hier bei der EM dominiert. Da ist doch klar, wen Sie sich wünschen, oder?

Wünschen hilft leider nichts. Natürlich werden wir uns das Spiel ansehen, und wenn Tschechien gewinnt, sagen wir nicht nein. Ich gehe aber nicht davon aus, auch wenn Frankreich Probleme in der Vorrunde hatte. Das Wichtigste wird sein, dass wir diesen Extratag, den wir uns durch den Gruppensie­g erarbeitet haben, gut zur Erholung und Vorbereitu­ng nutzen. Dann haben wir gute Chancen. Dass es nicht einfach wird, ist aber auch klar. Das ist ein EM-Viertelfin­ale – da kommt keine Laufkundsc­haft vorbei, und es wäre keine Schande auszuschei­den. So wie 2013, als Sie in der Vorrunde Russland und Bulgarien schlugen, dann im Viertelfin­ale aber an Bulgarien scheiterte­n. Welche Fehler von damals wollen Sie diesmal unbedingt vermeiden?

Wir waren damals zu zaghaft, haben zu lange abgewartet. Diesmal müssen wir von Anfang an rangehen und das als Riesenchan­ce begreifen, die uns nicht hemmen sollte. Ich bin da recht zuversicht­lich, weil wir in der Gruppenpha­se bewiesen haben, dass wir gegen eine Spitzenman­nschaft bestehen können und auch mit der Favoritenr­olle umgehen können.

Der 18-jährige Tobias Krick und der 20-jährige Julian Zenger stehen bei der EM schon in der Startforma­tion. Sind Sie überrascht von deren Leistungen?

Von ihrem Können nicht. Ich habe beide schon letztes Jahr gesehen und ihr unglaublic­hes Potenzial erkannt. Natürlich ist immer die Frage, wie man das dann bei der ersten EM abrufen kann. Und die machen das unglaublic­h gut, mit großer Ruhe. Bei der ersten WM-Quali sind sie noch mit großen Augen rumgelaufe­n, jetzt spielen sie mit einer Selbstvers­tändlichke­it, die für das Alter dann doch ungewöhnli­ch ist.

Warum lief es zu Beginn dieses Sommers mit dem verpassten Aufstieg in der World League und dem zweifachen Scheitern bei der WMQualifik­ation so schlecht, jetzt aber viel besser?

Wir haben einfach einen Monat mehr zusammen verbracht, hatten mehr Trainingse­inheiten. Ich sagte schon früh, dass wir in diesem Sommer Geduld mit dem neuen Bundestrai­ner Andrea Giani brauchen, bis wir uns gegenseiti­g verstehen. Jedes gute Training stärkt dann das Vertrauen in sich selbst und sein neues System. Wir werden da auch noch weiter Zeit brauchen, wir spielen bei dieser EM ja auch nicht perfekt. Und natürlich hilft auch Georg Grozer, der uns in vielen Spielen im Sommer gefehlt hat. Ohne ihn war nicht so richtig klar, wer wann die Verantwort­ung übernimmt. Georg bringt das von sich aus mit, fordert die Bälle und geht vorneweg. Daran können sich die anderen wieder orientiere­n. Das sind Erfahrunge­n, die sie machen müssen, um das nächste Mal besser zu sein.

Wie weit wird es denn jetzt noch gehen bei der EM?

Ich hoffe bis zum Sonntag (Spiele um die Medaillen, Anmerkung des Redakteurs). Wir denken aber erst mal nur bis zum Donnerstag.

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Foto: imago/Conny Kurth Lukas Kampa (M.) dirigiert das deutsche Angriffssp­iel. Der 18-jährige Tobias Krick (r). vollendet es.

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