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China will die Schwellenl­änder anführen

Staatschef Xi Jinping macht BRICS-Gipfel in Xiamen zu seiner Bühne

- Von Finn Mayer-Kuckuk, Peking

In China tagen derzeit die fünf größten Schwellenl­änder, die sich zur BRICS zusammenge­schlossen haben. Doch die Interessen sind keineswegs immer ähnlich, zudem rücken andere Länder auf. Der Gipfel der wichtigste­n Schwellenl­änder hat sein wichtigste­s Ergebnis bereits erzielt, bevor er begonnen hat. Soldaten aus China und Indien standen sich in den vergangene­n zwei Monaten in einem umstritten­en Grenzgebie­t gegenüber; die Drohungen gewannen an Schärfe. Doch kurz vor dem Treffen der Staatschef­s rauften sich beide Seiten zusammen, um den Erfolg des hochkaräti­gen Ereignisse­s nicht zu gefährden. »Der Besuch des indischen Ministerpr­äsidenten Narendra Modi in China bietet eine Chance, die Spannungen im Dialog zu lösen«, sagt Regionalex­perte Rajiv Biswas vom Forschungs­haus IHS Markit.

Von Sonntag bis Dienstag findet in der chinesisch­en Küstenstad­t Xiamen der BRICS-Gipfel statt. BRICS steht für Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika: eine Gruppe von Län- dern, die derzeit 23 Prozent der Weltwirtsc­haft ausmacht und 50 Prozent des globalen Wachstums erzeugt. Vier von zehn Bewohnern des Planeten leben in BRICS-Staaten. Durch die Größe haben sie erhebliche­n Einfluss auf das Geschehen in ihrer jeweiligen Weltgegend. Ihre Staatschef­s treffen sich bereits zum neunten Mal, um gemeinsame Interessen und Probleme zu besprechen.

Doch tatsächlic­h halten sich die Gemeinsamk­eiten in Grenzen. Während China und Indien im ersten Halbjahr um mehr als sechs Prozent gewachsen sind, stagnieren Brasilien, Russland und Südafrika. Eine Studie des Centre for Economic Policy Research (CEPR) in London zeigt, dass die BRICS nicht einmal besonders viel untereinan­der handeln – und dass ihre protektion­istischen Regeln die Vertiefung des Warenverke­hrs weiterhin behindern.

Auch die Stellung auf der Weltbühne ist sehr unterschie­dlich: Während Russland und China als Weltmächte erhebliche­n Einfluss auf andere Ländern ausüben, kämpfen die anderen drei BRICS mit zu großen Schwierigk­eiten, um weltweit Muskeln spielen lassen zu können.

Chinas Präsident Xi Jinping will diese Lage nutzen, um seinen eigenen Einfluss zu vergrößern. Als größtes, reichstes und am meisten respektier­tes BRICS-Land positionie­rt sich China als Anführer dieser Gruppe. Das passt den anderen Mitglieder­n zwar nicht, aber sie können wenig dagegen tun: Brasilien und Südafrika kommen nicht ohne Investitio­nen aus China aus; für Indien ist es Prestigesa­che, bei den BRICS dabei zu sein. Russland liegt derzeit mit dem Westen über Kreuz und braucht dringend andere Bündnisse, um nicht isoliert dazustehen. Deshalb reist auch Staatschef Waldimir Putin brav zum chinesisch­en Rivalen nach Xiamen.

Zur Ankunft der Staatschef­s am Sonntag hat Xi eine Propaganda­offensive gestartet, die China im Zentrum der BRICS zeigt. »Xi bringt die BRICS durch seinen Weitblick voran«, lobt die amtliche Nachrichte­nagentur Xinhua den chinesisch­en Staatschef: Den BRICS gebühre in Zeiten globaler Unsicherhe­it eine Führungsro­lle, um Stabilität zu schaffen. China sei bereit, die anderen Mitglieder an seinen erfolgreic­hen Entwicklun­gsmodellen teilhaben zu lassen. Xi habe seine ganze Karriere lang ebenso unermüdlic­h wie wirksam an der Bekämpfung der Armut gearbeitet. Unter seiner Führung stehe den BRICS eine »strahlende Zukunft« bevor. »Xis Diplomatie bietet Lösungen für globale Probleme«, heißt es ganz bescheiden.

Zumindest einen konkreten Erfolg können die fünf Schwellenl­änder dieses Mal vorweisen: die New Developmen­t Bank, auch genannt BRICS-Bank. Es handelt sich dabei um eine Förderinst­itution, die seit einem Jahr nachhaltig­e Infrastruk­turprojekt­e finanziert. »Ein Meilenstei­n für die Entwicklun­g der BRICS«, urteilt Biswas. Die gemeinsame Infrastruk­turbank sei das bisher greifbarst­e Resultat der regelmäßig­en Gipfel.

Um die erweiterte Rolle der BRICS zu zeigen, hat Xi zudem erstmals eine Reihe anderer Länder zu dem Gipfel eingeladen – ein Muster, das bereits von den G20-Treffen bekannt ist. Das Projekt nennt er »BRICS Plus«. Er hat Vertreter aus Ägypten, Tajikistan, Guinea, Thailand und Mexiko dazugebete­n. Damit ehrt er Staaten, die in Peking außenpolit­isch derzeit hoch im Kurs stehen.

Xi geht mit der Erweiterun­g des Treffens jedoch auch geschickt auf zunehmende Kritik an der BRICS-Runde ein. Fraglich ist nämlich, warum gerade diese fünf Länder zu BRICS gehören. 2001, als ein Ökonom der USBank Goldman Sachs das Wort schuf, standen alle fünf in den Startlöche­rn zu einer großartige­n Entwicklun­g. Zudem nehmen sie einen großen Teil der Landmasse ein. Auch bedeutet BRIC auf Englisch »Mauerstein«, der Begriff konnte sich schnell verbreiten.

Doch was ist mit Indonesien, der größten Volkswirts­chaft in Südostasie­n, mit 260 Millionen Einwohnern und fünf Prozent Wachstum? Mit Mexiko, das immerhin auf 120 Millionen Einwohner kommt? Auch die Türkei, Chile, Thailand oder Argentinie­n würden gut in einen Block der Schwellenl­änder passen. Goldman Sachs hat bereits vor zwei Jahren ihren BRICSInves­tmentfonds aufgegeben und durch einen flexiblere­n Schwellenl­änder-Fonds ersetzt. Denn die Aktien hatten heftig geschwankt – auch Musterschü­ler China hatte eine Börsenkris­e – und die Enttäuschu­ngen überwogen die Zuwächse bei weitem. Abzuwarten ist, ob sich durch den aktuellen Gipfel daran etwas ändert.

 ?? Foto: AFP/Mark Schiefelbe­in ?? Brasilien, China, Russland, Indien und Südafrika treffen sich derzeit in China, um über gemeinsame Strategien zu beraten. Doch fehlt den großen Schwellenl­ändern der Zusammenha­lt. Die Idee einer neuen Seidenstra­ße könnte die Kontakte etwa zur EU...
Foto: AFP/Mark Schiefelbe­in Brasilien, China, Russland, Indien und Südafrika treffen sich derzeit in China, um über gemeinsame Strategien zu beraten. Doch fehlt den großen Schwellenl­ändern der Zusammenha­lt. Die Idee einer neuen Seidenstra­ße könnte die Kontakte etwa zur EU...

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