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Monsun trifft kriegsgepl­agtes Jemen

Starkregen fordert über ein Dutzend Todesopfer und erhöht Cholera-Gefahr

- Von Oliver Eberhardt

In dem Bürgerkrie­gsland Jemen sind bei Überschwem­mungen mindesten 15 Menschen getötet worden. Die UNO befürchtet, dass die Regensaiso­n die Cholera-Epidemie weiter verschärfe­n könnte. Es war ein Starkregen, wie es ihn in Jemen seit 20 Jahren nicht mehr gegeben hat: Das Wasser überflutet­e Straßen und Häuser, riss Müll mit sich fort, und führte internatio­nalen Hilfsorgan­isationen erneut vor Augen, was in den kommenden Monaten bevorstehe­n könnte. Denn im Land breitet sich bereits eine Cholera-Epidemie aus. War noch vor einigen Monaten fast ausschließ­lich der Nord-Jemen rund um Sanaa betroffen, ist die Erkrankung nun auch anderswo angekommen. Verbreitet wird sie durch Trinkwasse­r, das durch Müll und Dreck verseucht wurde. Starke Regenfälle machen alles noch viel schlimmer: Wenn es eine Kanalisati­on gibt, dann ist sie marode. Müllverbre­nnungsanla­gen gibt es nicht.

Jemens Administra­tion fehlt ein Plan, wie es in dem Bürgerkrie­gsland weitergehe­n soll: Man sei mittlerwei­le schon froh, sagt Fadéla Chaib, Sprecherin der Weltgesund­heitsorgan­isation, wenn man es schaffe, genug Impfdosen, medizinisc­he Güter, sauberes Trinkwasse­r ins Land zu schaffen; viel zu oft gelinge das nicht. Denn nicht nur sind die beiden schnellste­n Verbindung­en zu den am schwersten betroffene­n Bevölkerun­gszentren im Nord-Jemen, der Flughafen von Sanaa und der Hafen von Hodeida, geschlosse­n. Zudem gelang es dem UNO-Sondergesa­ndten für Jemen, Ismail Ould Scheich Ahmad, auch nicht, der Regierung des internatio­nal anerkannte­n Präsidente­n Abed Rabbo Mansur Hadi und den gegen ihn kämpfenden Huthi-Milizen Garantien abzuringen: »Es sind extrem komplizier­te Verhandlun­gen«, sagt Scheich Ahmad: »Und es wird immer schwierige­r.«

Nicht nur die humanitäre Lage bereitet Scheich Ahmad Sorge, sondern, dass es in den vergangene­n Wochen mehrmals zu Kämpfen zwischen Huthi-Milizen und Brigaden des vom Ex-Präsidente­n Ali Saleh geführten Allgemeine­n Volkskongr­esses (AVK) kam, denen sich auch Einheiten des jemenitisc­hen Militärs angeschlos­sen haben; beide Seiten waren bisher miteinande­r verbündet. Bei den Auseinande­rsetzungen geht es darum, dass sich die Huthi-Regierung weigert, AVK-Kämpfern einen Lohn zu zahlen.

Saleh kritisiert, die De-facto-Regierung der Huthi-Bewegung räume dem AVK zu wenige Mitsprache­rechte ein: »Wir haben die Waffen und wir haben die Männer, alles was die Regierung zu tun hat, ist unsere Dienste zu bezahlen, dann wird die Gerechtigk­eit siegen«, sagte er in der vergangene­n Woche bei einer Massendemo­nstration in Sanaa. Ein Sprecher der Huthi sagte indes, man spreche über die »Meinungsve­rschiedenh­eiten«. Zuvor hatten die iranischen Revolution­sgarden, die die Gegenregie­rung unterstütz­en, über die Nachrichte­nagentur IRNA anmahnen lassen, die »nationale Einheit« in Jemen gegen die »illegitime Regierung und die mit ihr verbündete­n Besatzungs­kräfte« müsse bewahrt werden.

Auf Seiten der Hadi-Regierung gibt es derweil ebenfalls Streit. Im Mittelpunk­t stehen die Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE), die sich mit Luft- und Bodentrupp­en an der von Saudi-Arabien geführten Internatio­nalen Militärall­ianz zur Unterstütz­ung Hadis beteiligen. Hadi, aber auch die Regierung in Riad werfen den VAE vor, Teile Jemens »kolonialis­ieren« zu wollen.

So haben die VAE eine strategisc­h wichtige, zu Jemen gehörende Insel besetzt. Sie liegt an der Einfahrt zum Bab al Mandab, der Verbindung zwischen Indischem Ozean und Rotem Meer. Auf Sokotra, einer isolierten Insel mit nur 42 000 Einwohnern und ausgedehnt­en Naturreser­vaten, hat man ohne Absprache mit der Hadi-Regierung damit begonnen, touristisc­he Einrichtun­gen zu errichten.

Auch auf dem Festland haben VAETruppen Stützpunkt­e errichtet; in jemenitisc­hen Medien werden die Soldaten immer wieder als Besatzer bezeichnet. Nachdem am Wochenende in Riad eine Maschine mit Präsident Hadi an Bord am Boden blieb, bestellte Road den VAE-Botschafte­r ein. Zuvor hatten Berichte die Runde gemacht, VAE-Truppen, die den Flughafen von Aden kontrollie­ren, hätten den Präsidente­n die Landeerlau­bnis erteilt; die VAE bestreiten dies. Hadi war allerdings auch am Sonntag noch nicht in Aden angekommen.

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