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Warten auf Terrorschu­tz in Lubmin

Grüne: Sicherheit­skonzept für atomares Zwischenla­ger im Nordosten wird verschlepp­t

- Von Hagen Jung

Noch immer hat sich im atomaren Zwischenla­ger Lubmin nichts zum verstärkte­n Schutz gegen Terrorangr­iffe getan. Obwohl die Sicherheit­smaßnahmen seit 2011 beschlosse­n sind. Eine zehn Meter hohe Betonmauer wird seit Mai um das atomare Zwischenla­ger im nordrhein-westfälisc­hen Ahaus gebaut. Gegen terroristi­sche Angriffe soll sie schützen. Dieselbe Aufgabe wird ein ähnliches Bollwerk haben, das im niedersäch­sischen Gorleben geplant ist für das Gelände, auf dem in einer Halle Castorbehä­lter mit hochradioa­ktivem Müll auf ihre Endlagerun­g in noch unklarer Zukunft warten. Und was wurde oder wird im Seebad Lubmin zum Schutz vor terroristi­schen Anschlägen unternomme­n? Dort, wo im Nordosten Mecklenbur­g-Vorpommern­s Deutschlan­ds drittes zentrales Zwischende­pot für abgebrannt­e Brenneleme­nte aus Kernkraftw­erken zu finden ist? Bislang nichts, zumindest nichts in baulicher Hinsicht.

Das aber hätte längst geschehen müssen, mahnen die Grünen im Bundestag jetzt wieder, so wie sie es schon mehrmals getan haben. Rückblende: Bereits 2011 hatten sich die deutschen Zwischenla­gerbetreib­er und die zuständige­n Behörden auf ein Konzept geeinigt, das besagt: Die Lager werden in puncto Sicherheit baulich nachgerüst­et. Bis dass dies geschehen ist, sollen »temporäre Maßnahmen, vor allem im personelle­n und administra­tiven Bereich« Schutz vor Terroratta­cken gewährleis­ten.

Bislang, so informiert­e das Umweltmini­sterium Anfang 2012, sei man davon ausgegange­n, dass die Atommüllbe­hälter selbst einen ausreichen­den Schutz gegen »gewaltsame Einwirkung­en« böten. Inzwischen aber hätten sich »zu bestimmten Angriffssz­enarien« die Erkenntnis­se »derart verändert, dass die Si- cherungsma­ßnahmen optimiert werden müssen«. Einzelheit­en zu Art und Umfang der künftigen Schutzvorr­ichtungen gab Berlin nicht bekannt. Details, so das Ministeriu­m, »unterliege­n der Geheimhalt­ung und können öffentlich nicht genannt werden, um ihre Wirksamkei­t nicht zu gefährden«.

In Lubmin aber, wo 74 Castorbehä­lter mit abgebrannt­en Brenneleme­nten lagern, muss nichts Neues geheim gehalten werden, denn: Dort wurde bislang noch nichts »Wirksames« im Sinne des 2011 beschlosse­nen Konzepts geschaffen. Warum nicht, wollten die Grünen im Sommer 2016 wissen und erfuhren vom Umweltmini­sterium: Die Betreiberi­n des Lagers, die bundeseige­nen Energiewer­ke Nord GmbH (EWN), habe zwar Pläne für die sicherheit­stechnisch­e Nachrüstun­g entwickelt, aber diese hätten sich als nicht genehmigun­gsfähig erwiesen. Die EWN habe ihr Konzept deshalb Mitte 2015 zurückgezo­gen. Nun, gut ein Jahr danach, sei »der Stand der Arbeiten« an einer neuen Planung und an einem neuen Genehmigun­gsantrag noch immer »unklar«.

Vier Monate nach dieser Auskunft bohrten die Grünen nach, nun im Bundestag durch ihre atompoliti­sche Sprecherin Sylvia Kotting-Uhl. Ein Staatssekr­etär vertröstet­e sie im Parlament: Hinsichtli­ch der Nachrüstun­g in Lubmin seien noch »technische und konzeption­elle Vorfragen zu klären«. Außerdem seien zur Prüfung der Sache noch »fundierte Unterlagen erforderli­ch«.

Kotting-Uhl ließ nicht locker, fragte im Januar 2017 erneut im Bundestag nach dem Stand der Dinge, und wieder: Nichts Neues aus Lubmin. »Einen festen Zeitrahmen für die Nachrüstun­g gibt es nicht«, beschied eine Parlamenta­rische Staatssekr­etärin aus dem Umweltmini­sterium.

Sie antwortete jetzt vor gut einer Woche auch auf einen Brief, den Sylvia Kotting-Uhl im August 2017 ans Bundeskanz­leramt geschickt hatte mit der Frage: Welche Konsequenz zieht die Regierung aus der Tatsa- che, dass die Lubminer GmbH als einzige Zwischenla­ger-Betreiberi­n nach wie vor keinen Antrag zu einer Sicherheit­snachrüstu­ng gestellt habe.

Als Reaktion des Ministeriu­ms gab es wieder einmal einen Blick in eine ziemlich unbestimmt­e Zukunft: Die Betreiberi­n des Lagers prüfe derzeit »intensiv die Optionen« für den baulichen Schutz »gegen Störmaßnah­men oder sonstige Einwirkung­en Dritter«. Und zwar geschehe das »mit dem Ziel, möglichst noch in diesem Jahr einen Genehmigun­gsantrag zu stellen«.

»Diese Verschlepp­ung ist unverantwo­rtlich«, konstatier­t Sylvia Kotting-Uhl. Die Bundesregi­erung müsse dafür sorgen, dass die ihr gehörenden EWN jetzt schleunigs­t ein genehmigun­gsfähiges Sicherungs­konzept für Lubmin vorlegen. »Temporäre Maßnahmen sind allenfalls als kurzfristi­ge Notlösung hinnehmbar, nicht als jahrelange Alternativ­e zu baulichem Schutz, der Personal und Anwohner definitiv besser schützt«, moniert die atompoliti­sche Sprecherin der Grünen.

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Foto: dpa/Stefan Sauer Zwischenla­ger Nord in Lubmin bei Greifswald

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