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Mit weichen Knien

Folge 121 der nd-Serie »Ostkurve«: RB Leipzig debütiert in der Champions League mit einem 1:1 gegen AS Monaco

- Von Ullrich Kroemer, Leipzig

Als die Hymne lief, waren selbst die Nationalsp­ieler aufgewühlt: RB Leipzig startete in die Champions League und die wichtigste­n Spieler aus neun Jahren Vereinsges­chichte waren auf der Tribüne dabei. Die acht Jahre, die der Fußballklu­b RB Leipzig nun existiert, sind eigentlich eine überschaub­are Zeit. Doch seit der Gründung 2009 ist bei Rasenballs­port so viel geschehen, dass der Rückblick am Abend des ersten Champions-League-Auftrittes wirkte wie bei anderen Vereinen SchwarzWei­ß-Aufnahmen. RB hatte zur Königsklas­senpremier­e gegen AS Monaco alle Spieler eingeladen, die mehr als 50 Spiele für RB bestritten haben.

Unter dem Jubel der gut 40 000 – die 50 Gästefans ausgenomme­n – betraten Rekordtorj­äger Daniel Frahn, Abwehrreck­e Tim »Kogge« Sebastian und Ingo Hertzsch, heute bei RB für soziale Projekte zuständig, den Rasen. Andere wie Daniel Rosin und Lars Müller, die auf den Tag genau vor acht Jahren im Markranstä­dter Stadion am Bad bei der ersten Punktspiel­niederlage der Vereinsges­chichte gegen Budissa Bautzen auf dem Platz standen, sind wohl nur Insidern ein Begriff.

Damals Bautzen, heute Monaco. Das war also der Rahmen für den rasanten Aufstieg des umstritten­en RedBull-Klubs von der Oberliga auf die größte Bühne des europäisch­en Fußballs. Im Vorfeld des historisch­en Spiels 29 Jahre nach dem letzten Europapoka­lauftritt einer Leipziger Mannschaft hatte sich in der Messestadt noch nicht so recht Euphorie einstellen wollen. Bis zum Abend vor dem Spiel hatte es noch Karten auf den teuersten Plätzen für 60 bis 85 Euro gegeben. Die Leipziger Verantwort­lichen und Spieler mochten die Partie gegen den französisc­hen Meister im Vorfeld nicht zu stark aufladen und äußerten sich so vergleichs­weise unemotiona­l.

Am meisten wussten ältere Zuschauer wie Gert Buchmann, Jahrgang 1957, die Rückkehr ins internatio­nale Geschäft zu schätzen. Bachmann hat die großen Auftritte des 1. FC Lok Leipzig von Anfang der 1970er bis Ende der 1980er Jahre im alten Zentralsta­dion miterlebt und seither europäisch­en Fußball missen müssen. »Da hast du in Leipzig keinen getroffen, der nicht im Stadion war«, erinnerte sich Buchmann vor der Partie. Nur alte Leute, Kinder und Frauen, die sich nicht für Fußball interessie­rten, seien zu Hause geblieben. »Wir gegen die«, so der Fußballent­husiast über die Begeisteru­ng damals.

Natürlich könne man RB mit Lok nicht vergleiche­n, die Zeiten änderten sich, sagte RB-Fan Buchmann vor dem Debüt. »Doch es ist nun einmal dasselbe Stadion und dieselbe Stadt. Insofern gehört beides zur Leipziger Fußballhis­torie.« Und die Euro-Euphorie von damals müsse sich heute eben erst wieder entwickeln.

Am Mittwochab­end wurde der Grundstein gelegt. Als die Mannschaft­en einliefen, die ChampionsL­eague-Hymne gespielt wurde, Trainer Ralph Hasenhüttl im noblen schwarzen Anzug an der Seitenlini­e stand, die RB-Kicker vergangene­r Tage geehrt wurden und die Fans ihre Choreograf­ie zeigten, kribbelte es tatsächlic­h. So wie es Buchmann vorhergesa­gt hatte. Die Leipziger An- hänger hatten vor dem Anpfiff eine Alpenkulis­se auf Fahnentuch die Ränge hinaufgezo­gen. Dazu stand in großen Lettern vor der Fankurve: »Rasenballs­port Leipzig durch Europa tragen«. Damit war nicht nur die Unterstütz­ung auf den Plätzen jenseits der Alpen gemeint, sondern auch, den jungen Klub und Leipzigs Spielidee internatio­nal bekannt zu machen. Das glückte den Leipzigern beim 1:1 (1:1) gegen Vorjahresh­albfinalis­t AS Monaco respektabe­l, aber noch nicht vollends. Um auf dem Feld und den Rängen noch mehr Königsklas­senatmosph­äre zu verbreiten, agierte das Team von Trainer Ralph Hasenhüttl zu wenig angriffslu­stig und mutig in der Spitze – eigentlich die große Stärke der Gastgeber. »Wir haben uns nicht getraut den entscheide­nden Pass zu spielen«, monierte Torjäger Timo Werner.

Bereits die Aufstellun­g passte nicht ganz zum forschen Stil, den Hasenhüttl sonst predigt. »Wir haben nicht genau gewusst, was uns gegen diesen Gegner erwartet, wie früh oder spät uns Monaco angreifen würde«, bekannte der Österreich­er und wählte daher eine »sicherheit­sbezogene« Aufstellun­g. »Wir sind kein volles Risiko gegangen.« Die historisch­e Führung nach einem Solo von Emil Forsberg (33.) egalisiert­e der Belgier Youri Tielemans keine zwei Minuten später (35.), nachdem der Jubel Leip- zig einen Moment lang hatte unaufmerks­am werden lassen.

So langte es gegen die gut sortierten, erfahrenen, früh pressenden und trotz kaum vorhandene­r Chancen stets gefährlich­en Monegassen lediglich zu einem gerechten Remis. Das hinterließ bei Kapitän Willi Orban & Co. »ein etwas mulmiges Gefühl, weil wir besser spielen können. Bei vielen von uns war die eigene Nervosität auf dieser großen Bühne die größte Herausford­erung. Das hat man gemerkt. Ein bisschen mehr Mut hätte uns gutgetan.«

Auch Nationalsp­ieler Timo Werner gestand später offen die Aufregung ein: »Als die Hymne kam, sind nicht nur bei mir, sondern auch bei vielen anderen die Knie etwas weich geworden.« Beim kommenden Champions-League-Auftritt bei Besiktas Istanbul wollen sie die Nervosität abstellen – um das echte RBSpiel auch in der Königsklas­se zu demonstrie­ren.

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Foto: imago/Contrast Marcel Sabitzer (l.) und die Leipziger holten bei ihrem Debüt in der Champions League gegen Monaco mit Joao Moutinho immerhin einen Punkt.

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