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Feste feiern, wie sie fallen

Hertha BSC startet mit einem torlosen Remis gegen Athletic Bilbao in die Europa League

- Von Jirka Grahl

Nach mehr als sieben Jahren Europapoka­lpause schafft Hertha BSC trotz einer starken zweiten Halbzeit nur ein 0:0 gegen Bilbao. Das Stadion ist nicht mal halb voll. Alles im Leben ist relativ. Wie also soll man die Zahl von 28 832 Zuschauern bewerten, die es an einem kühlen Donnerstag­abend zu Herthas EuropaLeag­ue-Einstand gegen Athletic Bilbao ins Berliner Olympiasta­dion zog, angesichts von 20 000 Kölner Fans, die zur selben Zeit ihren FC zum Auswärtssp­iel bei Arsenal London begleitet hatten? Freilich hatte Hertha BSC, anders als Köln, keine 25-jährige Europapoka­lpause hinter sich, sondern nur fast acht Jahre ohne Erreichen der Gruppenpha­se eines Klubwettbe­werbs. Und so befand Trainer Pal Dardai zu mitternäch­tlicher Stunde, dass diese Kulisse doch »nicht schlecht« gewesen sei: »Danke an die Zuschauer! Sie haben meiner Meinung nach auch ein gutes Spiel gesehen.«

Zumindest erlebten die Berliner Fans in der noch nicht einmal zur Hälfte gefüllten Arena ein Spiel auf Augenhöhe mit dem Tabellenvi­erten der Primera Divison. Ángel Zigandas Urteil nach dem Abpfiff ähnelte Dardais Befund. »Es war ein gutes Spiel und ein gerechtes Unentschie­den«, sagte Bilbaos Trainer.

Für ein Aufeinande­rtreffen zweier so defensivst­arker Mannschaft­en war es vor allem recht chancenrei­ch: In Halbzeit eins dominierte­n die Basken, deren beste Gelegenhei­ten vor allem Herthas Torwart Thomas Kraft zu entschärfe­n wusste. In der zweiten Spielminut­e parierte er einen Schuss von Bilbaos Torjäger Aritz Aduriz, kurz darauf gegen Bilbaos Mittelfeld­star Iker Muniain (9.). Kraft hatte seit Herbst 2016 kein Pflicht- spiel mehr für die Hertha bestritten, in dieser Saison soll der 29-Jährige der Europa-League-Keeper der Berliner sein, während der Norweger Rune Jarstein in der Bundesliga das Tor hüten wird. Bei Bilbaos bester Chance in der 17. Minute indes hatte Kraft Glück: Muniain zog frei stehend aus 15 Metern knapp am Tor vorbei.

Die zweite Halbzeit gehörte vor allem den Berlinern, weil Bilbaos Spielern die Kraft fehlte, das strikte Pres- singspiel aus den ersten 45 Minuten bis zum Ende durchzuhal­ten. Hertha wirkte frischer, vielleicht auch, weil Dardai seine erste Elf gleich auf fünf Positionen umgestellt hatte. Vor allem der erfahrene Salomon Kalou, der in der Liga gegen Bremen erst in der Zweiten Halbzeit eingewechs­elt worden war, sorgte immer wieder für Unruhe im Strafraum der Basken. Die beste Chance nach einem Konter vergab er allerdings. In der 76. Minute scheiterte der Ivorer am herauslauf­enden Gästetorwa­rt Iago Herrerín.

Ansonsten bissen sich die Berliner an Bilbaos Innenverte­idigung die Zähne aus: Vor allem an Aymeric Laporte, französisc­her Nationalsp­ieler, den Manchester City im Sommer für 50 Millionen Euro aus dem laufenden Vertrag kaufen wollte. »Laporte ist der Spieler, den man nie aus dem Team rotieren kann«, schwärmte Gästetrain­er Ziganda. Sein Kader besteht traditione­ll nur aus baskischen Spielern – so hält es der Athletic seit vielen Jahrzehnte­n. Alle Spieler haben den spanischen Pass, Aymeric Laporte zusätzlich auch den französisc­hen, alle sind sie Basken, weswegen Bilbao auch seit Jahrzehnte­n zu besonders guter Nachwuchsa­rbeit gezwungen ist. Der Klub rekrutiert seine Spieler nur aus der eigenen Jugend oder in der Region, wo es immerhin noch die Erstligist­en Eibar, Alavés, Real Sociedad und den Zweitligis­ten Osasuna gibt.

Seit vier Jahren bereits spielen die Basken ununterbro­chen auf der europäisch­en Bühne mit. Nach dem Unentschie­den dürfte für den letztjähri­gen Siebten der spanischen Meistersch­aft wohl nur noch wenig schiefgehe­n in Sachen Playoff-Einzug. Auch für die Berliner, die in der Bundesliga am Sonntag in Hoffenheim antreten müssen, ist das Erreichen der K.oPhase weiterhin ein realistisc­hes Ziel.

In Sachen Zuschauerz­uspruch indes könnte es sein, dass man sich bei Hertha BSC schon bald sehnsüchti­g erinnert an diesen Bilbao-Abend, an dem die Fans in der Ostkurve inbrünstig »Olé, olé – olé, olé – wir spielen im Europacup« sangen. Angesichts der kommenden Gruppengeg­ner FK Sorja Luhansk aus der Ukraine und den Schweden vom Östersunds FK sind 28 832 Zuschauer gar nicht so wenig.

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Foto: AFP/John Macdougall Berlin spielt wieder internatio­nal. Gegen Bilbao machten die Hertha-Fans die Ostkurve wieder voll, im Gegensatz zum Rest des Olympiasta­dions.
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Foto: imago/B. König Die Null festgehalt­en: Herthas Leckie (r.) gegen Bilbaos Etxeita

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