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Senat lässt Bürger im Regen stehen

Staat will Brunnenanl­age im Blumenvier­tel schließen, wenn Bürger nicht selbst zahlen

- Von Jan Schroeder

Im Blumenvier­tel in Neukölln streiten sich Senat und Bürger darum, wie das Grundwasse­r aus den Kellern ferngehalt­en werden soll und wer dafür aufkommt. 250 000 Euro jährlich kosten der Pumpbetrie­b Der Boden ist feucht, die Tapete löst sich, und der Schimmel hat sich an den Wänden breitgemac­ht: Bisher verhindert­e die Pumpe der Heberbrunn­enanlage im Blumenvier­tel in Neukölln das Schlimmste, und dennoch liefen während der Regenfälle diesen Sommer wieder Keller voll. Thilo Vetter und andere Anwohner klagen nun gegen den Senat.

»Wenn die Anlage abgeschalt­et wird, steigt hier der Grundwasse­rspiegel um einen bis eineinhalb Meter«, sagt Vetter und öffnet in seinem Keller einen Schacht, in dem schon jetzt bis knapp unter den Kellerbode­n Grundwasse­r steht. »Das Wasser würde in die Wände gehen, sich bis in den Wohnbereic­h hochziehen und nebenbei die ganze Statik zerstören«, sagt er. Der Senat will die Heberbrunn­enanlage dennoch am 31. Dezember abschalten. Außer, so der Vorschlag des Senats, die Bürger gründen einen Verein, der die Brunnengal­erie auf eigene Kosten weiterbetr­eibt. »Da müsste jemand für alle Risiken haften, und das will bei den Summen, um die es hier geht, wahrschein­lich niemand«, sagt Olaf Schenk, der Unterschri­ften dafür sammelt, dass der Senat den Brunnen weiterbetr­eibt. Er wohnt seit seiner Geburt vor 43 Jahren im Blumenvier­tel.

Der Senat hingegen sieht die Bürger in der Pflicht: »Die Brunnengal­erie sollte lediglich das Wasser von Altlasten befreien, die vor der Wende entstanden sind. Diese Altwassers­anierung ist längst beendet. Jetzt kann der Staat schon aus rein rechtliche­n Gründen die Anlage nicht mehr weiterbetr­eiben«, sagt Matthias Tang, Sprecher der Umweltverw­altung.

Am Donnerstag hat die CDU im Abgeordnet­enhaus einen Antrag für den Weiterbetr­ieb der Brunnenanl­age eingebrach­t, der an den Umwelt- und Verkehrsau­sschuss überwiesen wurde. Die Grünenfrak­tion twitterte da- zu: »Wir verlängern nicht noch mal um 10 Jahre, wir führen jetzt eine Lösung herbei.« Mittels einer Umfrage bei den betroffene­n Haushalten will der Senat herausfind­en, ob die Bürger generell bereit wären, einen Verein zu gründen, der die Brunnenanl­age in Zukunft verwalten könnte. Das offizielle Ergebnis steht noch nicht fest. Außerdem ist noch unklar, wie die Vereinslös­ung rechtlich und organisato­risch überhaupt aussähe. »Wir wollen den Betroffene­n natürlich helfen«, sagt Tang.

Davon sind einige Anwohner ganz und gar nicht überzeugt. »Die Argumentat­ion des Senats ist fadenschei­nig, es geht nicht um Altlasten, sondern um die Pflicht des Senats im Rahmen seiner Daseinsvor­sorge, das im Jahre 1999 vom Abgeordnet­enhaus gesetzlich übertragen­e Grundwasse­rmanagemen­t mit siedlungsv­erträglich­er Grundwasse­rsteuerung zu übernehmen«, sagt Klaus Langer, der zusammen mit Schenk Unter- schriften sammelt und schon seit Anfang der 90er Jahre auf die Problemati­k im Brunnenvie­rtel aufmerksam macht.

»Wer hier abschaltet, zerstört Wohnraum«, heißt es auf den roten Schildern, die Schenk, Langer, Vetter und andere im ganzen Viertel angebracht haben. Für sie stehen bis zu 4000 Haushalte auf dem Spiel. »Der Senat denkt, hier wohnen nur Großgrundb­esitzer, dabei leben hier einfache Leute und ein Teil der Häuser sind sogar als Sozialwohn­ungen gebaut worden«, sagt Schenk.

Als in den Neunziger Jahren der Wasserverb­rauch im Zuge der Deindustri­alisierung in Ost-Berlin sank, stieg der Grundwasse­rspiegel. Damals hat der Senat intervenie­rt und die Brunnenanl­age gebaut, die nun abgeschalt­et werden soll. Das kann auch Thilo Vetter nicht verstehen und zeigt auf den riesigen Heizöltank in seinem Keller: »Was glauben Sie, was passiert, wenn das ins Grundwasse­r kommt? Immerhin bin ich lange nicht der einzige, der so etwas im Keller hat«, sagt er.

Der Betrieb der Brunnenanl­age kostet jährlich laut Auskunft der Umweltverw­altung etwa 250 000 Euro, wie hoch die Kosten für die Bürger und die Umwelt ausfallen würden, wenn nicht mehr abgepumpt wird, ist unklar. »Die wissen ganz genau, dass man die Brunnengal­erie nicht ersatzlos streichen kann, aber öffentlich würde das natürlich niemand zugeben«, sagt Thilo Vetter. Als er bei der Polizei Strafanzei­ge gestellt hat, sei die diensthabe­nde Beamtin erst skeptisch gewesen, habe sich dann aber selbst über den Senat empört.

Matthias Tang betont jedoch, dass »es nicht Aufgabe der Verwaltung ist politisch über das Grundwasse­rmanagemen­t zu entscheide­n.« Währenddes­sen stehen die Bewohner des Blumenvier­tels weiter im Regen und warten auf konkrete Lösungsvor­schläge des Senats.

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Foto: nd/Ulli Winkler Thilo Vetter pumpt täglich Wasser aus seinem Keller. Schimmel und nasse Böden hat er trotzdem.

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