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Minister rüttelt an Energieuml­age

Albrecht Gerber (SPD) spricht sich für eine schrittwei­se Absenkung der Sonderabga­ben aus

- Von Wilfried Neiße

Die staatliche­n garantiert­en Renditen für Betreiber von Windrädern und Solaranlag­en hält Wirtschaft­sminister Albrecht Gerber für einen »Welpenschu­tz«, mit dem es allmählich vorbei sein müsse. Für eine schrittwei­se Absenkung der Sonderabga­ben im Rahmen des Erneuerbar­e-Energien-Gesetzes (Stichwort: EEG-Umlage) hat sich Wirtschaft­sminister Albrecht Gerber (SPD) ausgesproc­hen. Das tue er, »ohne die Wahlprogra­mme von FDP und AfD im Einzelnen zu kennen«, sagte er am Freitag nach einem Gespräch mit den Präsidente­n der drei brandenbur­gischen Handwerksk­ammern. In den Programmen von FDP und AfD steht die Forderung nach einer Abschaffun­g. Zu den staatlich garantiert­en Renditen für die Betreiber von Windrädern und Solaranlag­en sagte Gerber: »Mit dem Welpenschu­tz muss es allmählich vorbei sein.«

Das bisherige System der Umlage »kommt an seine Grenzen, vor allem an die Belastungs­grenzen«, unterstric­h Gerber. Er räumte ein, dass sich die Produktion­skosten für energieint­ensive Handwerksb­etriebe deutlich erhöht haben und sie gegenüber solchen Unternehme­n Wettbewerb­s- nachteile erleiden, die von der EEGUmlage ausgenomme­n sind. »Inzwischen machen Steuern, Abgaben und Umlange weit mehr als 50 Prozent des Strompreis­es aus«, rechnete der Minister vor. Das dürfe nicht endlos so weitergehe­n, wenn die Akzeptanz für die Energiewen­de unter den Bürgern keinen Schaden nehmen solle.

Ob es in der Sache von Brandenbur­g eine Bundesrats­initiative geben werde, »muss man sehen«, sagte Gerber. Er könne sich aber als ersten Schritt die Ausweitung des Kreises der von der EEG-Umlage befreiten Firmen vorstellen. Auch wäre es möglich, für neu errichtete Wind- oder Solarparks andere Regeln als die bisherigen zu finden.

Der Präsident der Handwerksk­ammer Frankfurt (Oder) Wolf-Harald Krüger sagte, wer heute einen Windpark betreibe, der erhalte vom Staat, das heißt vom Steuerzahl­er, eine Zwölf-Prozent-Rendite über viele Jahre hinweg garantiert. Eine solche Gewinnhöhe werde an der Börse oder in anderen Geldanlage­n nicht erzielt. An dieser Stelle sollte »mehr Marktwirts­chaft« einsetzen, das würde die Energie billiger machen, denkt Krüger. Er forderte von der Politik »Eingriffe und Veränderun­gen«.

Als Präsident der Kammer Cottbus sagte Peter Dreißig, mit 100 Filialen und 850 Beschäftig­ten sehe er sich immer noch als ein mittelstän­discher Unternehme­r. Die Umlage koste ihn pro Jahr 400 000 Euro. Die würde er lieber in Investitio­nen wie Energiespa­rlampen stecken. Als Unternehme­r in Guben wäre es ein leichtes, über die Neiße nach Polen zu gehen, dort wäre er von dergleiche­n Zusatzkost­en befreit. »Aber das tue ich nur, wenn mir betriebswi­rtschaftli­ch nichts anderes übrig bleibt.« Er sei stolz, Deutscher zu sein und sein Ziel als Inhaber einer 105 Jahre alten Firma sei es, die Arbeitsplä­tze in Deutschlan­d zu erhalten. Dreißig kritisiert­e, dass Produzente­n von »Teiglingen«, die an Großketten geliefert werden, wo sie nur noch aufzubacke­n sind, von der EEG-Umlage befreit sind, die größeren und kleineren Bäcker in Brandenbur­g jedoch nicht.

Das Handwerk »steht zur Energiewen­de«, erklärte Robert Wüst, der Präsident der Kammer Potsdam. Doch dürfe die Belastung nicht auch noch zunehmen, wie es geplant sei. »Die Schmerzgre­nze ist erreicht.« Jenseits davon werde die Energiewen­de keine Akzeptanz mehr finden.

Vor allem in Brandenbur­g ist der Strom für Privatkund­en und Firmen teuer, weil hier in den vergangene­n Jahrzehnte­n viele Windräder und Solaranlag­en entstanden sind, ohne dass die Stromnetze so ausgebaut sind, dass die Energie effektiv weitergele­itet werden kann.

Nach Ansicht von Wirtschaft­sminister Gerber ist es dennoch kein Fehler gewesen, hier den Vorreiter zu spielen. Ihm zufolge werden 14 Prozent des verbraucht­en Stroms aus erneuerbar­en Quellen bezogen, der große Rest stamme aus Kohle-, Gasund Atomkraftw­erken. Es sei daher falsch, die Energiewen­de als quasi vor dem Abschluss stehend zu betrachten. Alles hänge an der Möglichkei­t, Energie in großem Umfang zu speichern. Gerber bestritt, dass man dabei in den vergangene­n zehn Jahren nicht vorangekom­men sei, doch habe es sich lediglich um »kleine Schritte« gehandelt. Die Kohle werde jedenfalls noch eine geraume Zeit benötigt, um eine stabile und bezahlbare Energiever­sorgung zu sichern.

2016 habe die Energiewir­tschaft in Südbranden­burg erstmals nicht genügend Lehrlinge bekommen, sagte Handwerksp­räsident Dreißig. Junge Leute würden sich angesichts der Diskussion­en um die Braunkohle überlegen, was sie tun und wo sie sich ein Eigenheim bauen. Handwerksp­räsident Krüger sprach von technisch möglichen Verfahren, dass Betreiber von Solaranlag­en ihren Strom »im eigenen Keller speichern« könnten. Das aber setze Investitio­nen voraus. Das Handwerk stünde bereit.

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Foto: dpa/Arne Dedert

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