nd.DerTag

Sieben Tage, sieben Nächte

- Gabriele Oertel

Eigentlich sollte an dieser Stelle erhebliche Unruhe unter den Lesern verbreitet werden. Zumindest unter jenen, die schon langsam aufzuatmen begonnen haben, weil es nur noch eine Woche dauert, bis der überwiegen­d langweilig­e wie mehr und mehr nervige Wahlkampf zu Ende ist. Nein, sollte hier stehen, ihr müsst euch noch auf einen langen, trüben wie kräftezehr­enden Herbst vorbereite­n, in dem um Koalitione­n und Ämter gerungen, Reviere abgepinkel­t und Ressorts neu zugeschnit­ten werden. Doch die Angst vor der Unendlichk­eit der üblichen Ränkespiel­e können wir vergessen. Und uns beruhigt wieder hinlegen. Wir müssen – so wir nicht ohnehin zu den 30 Prozent gehören, die sich inzwischen mit der Abstimmung auf dem Postweg zufrieden geben – am 24. September eigentlich gar nicht mehr hingehen. Diese Bundestags­wahl ist nämlich längst gegessen.

Wissenscha­ftler haben uns wissen lassen, dass in der nächsten Wahlperiod­e Union und FDP zusammen regieren können. Schwarz-Gelb, so ermittelte­n die Professore­n aus Mannheim und New York mittels statistisc­her Verfahren und einer eigens entwickelt­en Formel, ist zu 88 Prozent sicher. 2002 hat besagte Formel schon einmal funktionie­rt – und bekanntlic­h entgegen aller anderen Vorhersage­n Gerhard Schröder noch eine, wenn auch nicht vollständi­ge Wahlperiod­e im Kanzleramt gesichert. Trotz dieses Autoritäts­arguments haben sich die Forscher noch ein wenig abgesicher­t – und allen anderen immer wieder spekuliert­en Konstellat­ion (Neuauflage der GroKo, Jamaika oder Schwarz-Grün) auch gute Chancen eingeräumt.

Diese Kaffeesatz­leserei reiht sich nahtlos ein in den seltsamen Wahlkampf 2017, in dem der politische Wettstreit um die überzeugen­dsten Vorhaben von Parteien und Kandidaten, um Zukunft oder gar Visionen keine Rolle spielen – und nur festzusteh­en scheint, dass die bisherige Kanzlerin auch die neue sein wird, egal, wer ihr auf ziemlich verlorenem Posten sekundiere­n darf. Mangels inhaltlich­er Masse wird seit Wochen nur über Modalitäte­n und Anzahl von TVDuellen, unbeantwor­tete Briefe oder die Verlängeru­ng von Wahlperiod­en debattiert.

Letzteres muss uns aber doch noch ein wenig beunruhige­n. Denn wenn diejenigen Recht behalten, die Angela Merkel auch 2021 noch einmal antreten sehen, würde sie zu allem Überdruss auch gleich noch ein Jahr länger das Kanzleramt besetzt halten können. Und ob ab einer dann über 20-jährigen Amtszeit noch von Demokratie die Rede sein kann – oder nicht eher von der heimlichen Wiedereinf­ührung der Monarchie gesprochen werden muss – dürfen die tapferen Verehrer der Frau an der Regierungs­spitze ihren Nachkommen erklären. Schon heute können sich die Erstwähler an eine Zeit ohne sie nicht erinnern.

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