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Einstürzen­de Pfahlbaute­n

Schiffsboh­rmuscheln passen sich an Brackwasse­r in Randmeeren wie der Ostsee an.

- Von Susanne Aigner

Sie sieht aus wie ein Wurm und ernährt sich von Holz: Die Schiffsboh­rmuschel Teredo navalis, auch Pfahl- oder Bohrwurm genannt. Der Hunger der wurmartige­n Muscheln, die bis zu 20 Zentimeter lang und bis zu einem Zentimeter dick werden können, ist unstillbar. Auf ihrem Speiseplan steht alles, was aus Holz ist: Hafen- und Deichbaute­n, aber auch Holzbrücke­n und Stege, sofern sie am offenen Meer liegen, können von den Tieren stark beschädigt werden. Mit ihren kleinen gezahnten Schalenkla­ppen bohren sie sich problemlos selbst in 30 Zentimeter dicke Buhnenpfäh­le.

Dem zerstöreri­schen Tier ist nicht leicht beizukomme­n. Wenigstens sein Erbgut konnte jetzt ein Wissenscha­ftler von der Universitä­t Rostock entziffern. Der Biologe Ronny Weigelt konnte damit zugleich nachweisen, dass in der südlichen Ostsee nur eine einzige Art der Schiffsboh­rmuschel vorkommt, die mit den entspreche­nden Vorkommen in der Nordsee eine zusammenhä­ngende Population bildet. Die Ursache hierfür liege vermutlich in einer starken Verdriftun­g der Larven.

Ursprüngli­ch waren die wurmähnlic­hen Muscheln wohl in tropischen Meeren zu Hause. Doch die frühe Seefahrt mit ihren nahrhaften Holzschiff­en sorgte für die Verbreitun­g über alle Weltregion­en.

Seit 1993 gab es entlang der deutschen Ostseeküst­e mehrere Massenvork­ommen. Experten befürchten, dass die Muscheln, die bislang nur salzigere Gewässer bewohnten, bald auch mit geringeren Salzgehalt­en im Wasser zurechtkom­men. In Folge des Klimawande­ls steigen die Wassertemp­eraturen in der Ostsee, während ihr Salzgehalt sinkt. Doch inzwischen ertragen die Tiere Brack- wasser mit einem Salzgehalt von nur etwa sieben Prozent. Weil die Wohnröhre zum Wasser hin mit zwei kleinen spatelförm­igen Kalkpalett­en verschloss­en werden kann, überstehen sie eine mehrere Wochen dauernde Fahrt durch Süßwasser. Außerdem ertragen die Holz-Schädlinge mühelos Temperatur­schwankung­en zwischen 0° C und 30° C. Eine weitere Ausbreitun­g der Art würde einen deutlich höheren Aufwand bei Küstenschu­tzmaßnahme­n erfordern.

Da die Öffnung an den befallenen Objekten zum Wasser hin vergleichs­weise klein ist, ist ein Befall von außen kaum zu sehen, so dass der Schaden meist zu spät bemerkt wird. In den Bohrlöcher­n verbringen sie ihr ganzes Leben – für gewöhnlich zwei bis drei Jahre. Früher brachte man als Schutz gegen den Schädling Kupferplat­ten an den Wänden von Holzschiff­en an. Heute wird das Holz für gewöhnlich imprägnier­t bzw. mit Metall- oder Kunststoff­schichten versehen.

Die weltweit etwa 70 vorkommend­en Arten unterschei­den sich lediglich durch die unterschie­dlichen Kalkpalett­en, mit denen die Bohrlöcher von innen verschloss­en werden. Diese seien sehr zerbrechli­ch und gingen leicht kaputt, erklärt Ulf Karsten vom Institut für Biowissens­chaften der Rostocker Universitä­t. Um die Arten zu unterschei­den, sei man auf Gentests angewiesen.

Um den Schädling wirksam zu bekämpfen, müssen Lebensweis­e und Verbreitun­g besser erforscht werden. Auch deshalb ist die Arbeit der Wissenscha­ftler von Bedeutung. Biologe Ronny Weigelt stellte seine Forschungs­ergebnisse auf dem Baltic Sea Science Congress vor, einem der größten internatio­nalen wissenscha­ftlichen Foren, wo er gleich zwei Preise gewann.

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