Einstürzende Pfahlbauten
Schiffsbohrmuscheln passen sich an Brackwasser in Randmeeren wie der Ostsee an.
Sie sieht aus wie ein Wurm und ernährt sich von Holz: Die Schiffsbohrmuschel Teredo navalis, auch Pfahl- oder Bohrwurm genannt. Der Hunger der wurmartigen Muscheln, die bis zu 20 Zentimeter lang und bis zu einem Zentimeter dick werden können, ist unstillbar. Auf ihrem Speiseplan steht alles, was aus Holz ist: Hafen- und Deichbauten, aber auch Holzbrücken und Stege, sofern sie am offenen Meer liegen, können von den Tieren stark beschädigt werden. Mit ihren kleinen gezahnten Schalenklappen bohren sie sich problemlos selbst in 30 Zentimeter dicke Buhnenpfähle.
Dem zerstörerischen Tier ist nicht leicht beizukommen. Wenigstens sein Erbgut konnte jetzt ein Wissenschaftler von der Universität Rostock entziffern. Der Biologe Ronny Weigelt konnte damit zugleich nachweisen, dass in der südlichen Ostsee nur eine einzige Art der Schiffsbohrmuschel vorkommt, die mit den entsprechenden Vorkommen in der Nordsee eine zusammenhängende Population bildet. Die Ursache hierfür liege vermutlich in einer starken Verdriftung der Larven.
Ursprünglich waren die wurmähnlichen Muscheln wohl in tropischen Meeren zu Hause. Doch die frühe Seefahrt mit ihren nahrhaften Holzschiffen sorgte für die Verbreitung über alle Weltregionen.
Seit 1993 gab es entlang der deutschen Ostseeküste mehrere Massenvorkommen. Experten befürchten, dass die Muscheln, die bislang nur salzigere Gewässer bewohnten, bald auch mit geringeren Salzgehalten im Wasser zurechtkommen. In Folge des Klimawandels steigen die Wassertemperaturen in der Ostsee, während ihr Salzgehalt sinkt. Doch inzwischen ertragen die Tiere Brack- wasser mit einem Salzgehalt von nur etwa sieben Prozent. Weil die Wohnröhre zum Wasser hin mit zwei kleinen spatelförmigen Kalkpaletten verschlossen werden kann, überstehen sie eine mehrere Wochen dauernde Fahrt durch Süßwasser. Außerdem ertragen die Holz-Schädlinge mühelos Temperaturschwankungen zwischen 0° C und 30° C. Eine weitere Ausbreitung der Art würde einen deutlich höheren Aufwand bei Küstenschutzmaßnahmen erfordern.
Da die Öffnung an den befallenen Objekten zum Wasser hin vergleichsweise klein ist, ist ein Befall von außen kaum zu sehen, so dass der Schaden meist zu spät bemerkt wird. In den Bohrlöchern verbringen sie ihr ganzes Leben – für gewöhnlich zwei bis drei Jahre. Früher brachte man als Schutz gegen den Schädling Kupferplatten an den Wänden von Holzschiffen an. Heute wird das Holz für gewöhnlich imprägniert bzw. mit Metall- oder Kunststoffschichten versehen.
Die weltweit etwa 70 vorkommenden Arten unterscheiden sich lediglich durch die unterschiedlichen Kalkpaletten, mit denen die Bohrlöcher von innen verschlossen werden. Diese seien sehr zerbrechlich und gingen leicht kaputt, erklärt Ulf Karsten vom Institut für Biowissenschaften der Rostocker Universität. Um die Arten zu unterscheiden, sei man auf Gentests angewiesen.
Um den Schädling wirksam zu bekämpfen, müssen Lebensweise und Verbreitung besser erforscht werden. Auch deshalb ist die Arbeit der Wissenschaftler von Bedeutung. Biologe Ronny Weigelt stellte seine Forschungsergebnisse auf dem Baltic Sea Science Congress vor, einem der größten internationalen wissenschaftlichen Foren, wo er gleich zwei Preise gewann.