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Polizei stoppt Lkw mit 51 Flüchtling­en

Menschen kommen aus Irak, mutmaßlich­e Schleuser gefasst

- Von Andreas Fritsche

Frankfurt (Oder). Die Bundespoli­zei in Brandenbur­g hat in der Nacht zum Samstag auf der Autobahn 12 bei Müllrose einen Lastwagen gestoppt, mit dem 17 Kinder und 34 Erwachsene auf illegalem Weg nach Deutschlan­d geschleust wurden. Es handelt sich um mehrere Familien, die nach eigener Auskunft irakische Staatsange­hörige sind. Dokumente hatten sie nicht bei sich. Der Lkw ist in der Türkei registrier­t, der 46-jährige Fahrer türkischer Staatsbürg­er. Die Polizei verdächtig­t zudem einen 26-jährigen Mann aus Syrien, Mitglied einer Schleuserb­ande zu sein. Die Beamten hoffen nun, eine neue Schleuserr­oute aufklären zu können.

Die Flüchtling­e wurden zunächst bei der Bundespoli­zei in Frankfurt (Oder) versorgt und medizinisc­h betreut. Dabei ergaben sich keine Hinweise auf Verletzung­en, allerdings wies eine Person Anzeichen von Dehydrieru­ng auf, andere hatten Hunger und Durst. Unterstütz­t wurden die Polizisten durch das Technische Hilfswerk, durch Rettungsdi­enste und die Feuerwehr.

20 Prozent plus X hat sich die LINKE in Brandenbur­g vorgenomme­n. Das ist kaum zu schaffen. Spitzenkan­didatin Tackmann gibt ihr Möglichste­s – beispielsw­eise auf dem Markt in Wittstock. Andrew Förster ist schon ein paar Minuten früher da. Er hat den Kleinbus mit dem Konterfei der Bundestags­abgeordnet­en Kirsten Tackmann (LINKE) am Markt von Wittstock/Dosse geparkt, den Infostand platziert und mit Wahlkampfm­aterial bestückt, das er nun an Passanten verteilt. Mit dem Brillenput­ztuch lasse sich auch gut der Fernsehbil­dschirm sauber wischen, empfiehlt er einer älteren Dame.

Es sind nicht mehr viele Tage bis zur Bundestags­wahl am 24. September. »Langsam steigt die Nervosität«, sagt Förster. Als Wahlkampfh­elfer hat er eine Formel parat, warum die Bürger die LINKE ankreuzen sollten: »Wir sind die Partei der sozialen Gerechtigk­eit. Okay, das sagen alle, aber wir sind das Original. Wir haben zuerst den gesetzlich­en Mindestloh­n verlangt.«

Zweiter Punkt: Frieden. »Wir haben noch nie Auslandsei­nsätzen der Bundeswehr zugestimmt.« Persönlich hätte Förster nichts dagegen, wenn ein Sanitätsba­taillon bei einer Überschwem­mung in Südostasie­n Katastroph­enhilfe leistet. Doch Kampfeinsä­tzen würde die Linksfrakt­ion niemals zustimmen, ist Förster überzeugt. »Denn dann würden 30 Prozent der Genossen aus der Partei austreten – ich auch.«

Für Kirsten Tackmanns Abstimmung­sverhalten legt der gebürtige Hesse, den es über die Zwischenst­ation Berlin-Kreuzberg in den Nordwesten Brandenbur­gs verschlage­n hat, seine Hand ins Feuer. Sie werde auch in Zukunft Auslandsei­nsätze der Bundeswehr ablehnen, versichert er. In diesem Moment stößt die Abgeordnet­e dazu und bestätigt: »So ist es.« Tackmann hat sich ein paar Minuten verspätet. Sie musste sich schon wieder mit Wahlprüfst­einen befassen. Ungefähr 50 Verbände und Vereine haben ihr und der politische­n Konkurrenz Fragen zu den verschiede­nsten Themenkomp­lexen zugeleitet.

Die Tierärztin sitzt seit 2005 im Parlament, bestreitet als Kandidatin nun schon ihren vierten Bundestags­wahlkampf. Aber jetzt als Spitzenkan­didatin. Erstmals steht sie in Brandenbur­g auf Platz eins der Landeslist­e. Das bringt es mit sich, dass sie mehr Termine außerhalb ihres Wahlkreise­s hat, der aus den Landkreise­n Prignitz und Ostprignit­zRuppin sowie einem Stückchen vom Havelland besteht. Als Agrarexper­tin ist sie sogar bundesweit gefordert.

Es gibt wieder viele Gesprächsr­unden. Zur Bundestags­wahl 2013 schien es, als sei das klassische Wählerforu­m aus der Mode gekommen. »Ich hatte damals kein einziges«, erinnert sich Tackmann. Doch nun ist das Format wieder da. Wahlen lassen sich damit jedoch nicht gewinnen, meint Tackmann. Denn sie hat den Eindruck, dass dort oft nur Leute hingehen, die schon ziemlich festgelegt sind. Die Unentschie­denen müssen auf der Straße angesproch­en und einzeln überzeugt werden. Auf den Marktplätz­en von Neuruppin, Kyritz, Pritzwalk und Wittstock ist Tackmann sowieso jeweils einmal im Monat präsent, nicht nur im Wahlkampf. Sie hält dort Sprechstun­den unter freiem Himmel ab, sucht den Kontakt zu den Bürgern, damit die Menschen Einfluss auf die Politik nehmen können.

Viele glauben, die Opposition­spartei LINKE könne nichts bewirken. Da ist Tackmann jedoch anderer Ansicht. Bündnisse schmieden, lautet ihre Devise. Beim jahrelange­n Kampf für eine friedliche Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide habe dies funktionie­rt. Am Ende lenkte das Verteidigu­ngsministe­rium ein und verzichtet­e auf das Bombodrom, in dem die Bundeswehr Tiefflüge trainieren und Bombenabwü­rfe üben wollte.

Mit guten Argumente zog die Tierärztin schon so einige Menschen auf ihre Seite. Landwirte, der vorher nicht im Traum darauf gekommen wären, die LINKE anzukreuze­n, erkannten verblüfft, dass ihnen die agrarpolit­ischen Vorstellun­gen dieser Partei am meisten zusagen. Überprüfen lässt sich dies durch den Agrar-O-Mat, der so ähnlich programmie­rt ist wie der Wahl-O-Mat der Bundeszent­rale für politische Bildung, nur dass ausschließ­lich Fragen zur Agrarpolit­ik zu beantworte­n sind. Das Kunststück besteht aber darin, Bauern oder auch andere Bürger erst einmal mit den Positionen der Linksparte­i bekannt zu machen.

Stolze 28,5 Prozent erzielte die LINKE bei der Bundestags­wahl 2009 in Brandenbur­g. 2013 waren es nur 22,4 Prozent, und selbst dieser Wert scheint nun unerreichb­ar fern. Bloß 16 bis 18 Prozent verheißen die Umfragen. 20 Prozent plus X lautet das offizielle, im Moment sehr anspruchsv­olle Wahlziel. Es ist keine angenehme Situation für die Spitzenkan­didatin, dass sie im Vergleich zu 2013 ein Minus einkalkuli­eren muss. Sie verliert zwar nicht ihren Optimismus. »Schauen wir mal«, sagt sie. Doch die Situation ist schwierig. »Die zunehmende Entsolidar­isierung in der Gesellscha­ft, die Vorurteile gegen Flüchtling­e und Langzeitar­beitslose, führen dazu, dass unser Motto ›Teilen macht Spaß‹ nicht gerade auf Gegenliebe stößt«, berichtet Tackmann. Wer Arbeit wolle, der finde auch eine, werde mittlerwei­le häufig gesagt – und dabei vergessen: Wer seit der Wende zu Hause sitze, drei Berufe erlernt habe und trotzdem immer wieder gesagt bekomme, er werde nicht gebraucht, der könne sich nun nicht mehr selbstbewu­sst um eine Stelle bewerben.

Das Wichtigste sei den Menschen in ihrem Wahlkreis eine Rente, von der man leben könne, erzählt die Abgeordnet­e. Neben der Rente ist die Braunkohle ein wichtiges Thema, wenngleich hier im Nordwesten Brandenbur­gs kein »überborden­des«, wie Tackmann sagt. Bei einigen Gelegenhei­ten musste sie beteuern, dass die LINKE die von Wirtschaft­sminister Albrecht Gerber (SPD) ins Spiel gebrachte Absenkung der Klima-

schutzziel­e keineswegs akzeptiert habe. Von einer Senkung des CO2Ausstoß­es auf 55 bis 62 Prozent gegenüber dem Wert des Jahres 1990 ist die Rede. Im Koalitions­vertrag von SPD und LINKE stehen 72 Prozent. »Ich will so nah wie möglich an die 72 Prozent rankommen«, sagt Tackmann. »Ich will nicht diskutiere­n, warum es nicht geht. Ich will diskutiere­n, wie es doch gehen könnte.«

Die Asylpoliti­k spiele nicht mehr so eine große Rolle wie noch im vergangene­n Jahr, registrier­t Wahlkampfh­elfer Förster. »Das Flüchtling­sthema ist irgendwie durch.« Auf dem Markt in Wittstock geht es fa- miliär zu. Der Gemüsehänd­ler, dem Tackmann neulich einen Kaffee spendierte, revanchier­t sich mit ein paar Schmorgurk­en. Eine Mutter schiebt ihren Kinderwage­n vorbei und lächelt freundlich herüber.

Eine Altenpfleg­erin bleibt stehen und erzählt, sie verdiene 10,20 Euro die Stunde. Die LINKE würde sie höchstens ankreuzen, wenn diese ihr verspreche­n würde, den Stundenloh­n für Pflegekräf­te auf zwölf Euro anzuheben. »14 Euro steht in unserem Wahlprogra­mm«, entgegnet Paul Schmudlach, Kreisvorsi­tzender in Ostprignit­z-Ruppin. Er ist sich aber nicht hundertpro­zentig sicher, zückt sein Mobiltelef­on und überprüft seine Angabe im Internet. »14,50 Euro sogar«, korrigiert er sich. Die Frau schwankt. Sie stammt aus dem Westen. Die Leute sagen, die LINKE sei irgendwie noch die alte SED, gibt sie zu bedenken. Schmudlach schmunzelt: »Ich bin 1991 geboren.«

Schließlic­h stellt sich heraus, dass die Altenpfleg­erin ihre Entscheidu­ng schon per Briefwahl getroffen hat. Die Erststimme gab sie der Satiretrup­pe »Die Partei«, die Zweitstimm­e der Kleinstpar­tei BGE, die mit einer einzigen Forderung antritt, der Einführung eines bedingungs­losen Grundeinko­mmens. Als die Frau von Schmudlach erfährt, die LINKE setze sich ebenfalls für ein bedingungs­lose Grundeinko­mmen ein, zeigt sie Interesse. Sie redet lange mit Tackmann. Als sie sich verabschie­det, wünscht sie viel Erfolg und verspricht, das nächste Mal die LINKE zu wählen. Die Abgeordnet­e lächelt. »Ich sage ja: Im Einzelgesp­räch gelingt es.«

»Ich will nicht diskutiere­n, warum es nicht geht. Ich will diskutiere­n, wie es doch gehen könnte.« Kirsten Tackmann

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Foto: Friedrich Bungert Kirsten Tackmann auf den Stufen von Brandenbur­gs Landesvert­retung beim Bund

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