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Dreck im Diesel

Auch bei den neuesten Modellen sind die Emissionsw­erte zu hoch

- Von Jörg Staude

Vor zwei Jahren flogen in den USA die »Abgastrick­s« von VW auf.

Vor zwei Jahren wurden die Betrügerei­en des VW-Konzerns bei den Stickoxide­missionen von Diesel-Pkw in den USA publik. Vor allem in Deutschlan­d wird noch immer eisern an dieser Technik festgehalt­en – während Länder wie China den Ausstieg aus dem Verbrennun­gsmotor beschließe­n.

Zwei Jahre nach Bekanntwer­den des Abgasskand­als verkauft die Branche noch immer viele neue Dieselfahr­zeuge, die die Stickoxid-Grenzwerte nicht einhalten. Bei Kleinwagen kann sich dies niemals ändern. Die derzeitige Gretchenfr­age für Diesel-Fahrer lautet: Welches Modell trotzt drohenden Fahrverbot­en? Selbst wer ein Dieselauto hat oder sich eines zulegen will, das die neueste, seit September gültige Euro-6-Norm erfüllt, ist da noch nicht auf der sicheren Seite. Da muss die »6« schon noch durch ein zusätzlich­es »d« geschmückt werden. Nur Diesel mit der Euro-6d-Norm in der Typzulassu­ng halten nämlich im realen Betrieb die Stickoxidg­renzwerte so ein, dass keine Fahrverbot­e drohen.

Was könnte zwei Jahre nach Bekanntwer­den des Abgasskand­als eine bessere Bühne für solche »Clean Diesel« sein als die laufende Automesse IAA in Frankfurt? Viele Hersteller nutzten die Produktsch­au für ein zusätzlich­es Zeichen, um die »modernsten Euro-6-Fahrzeuge« auf die Straße zu bringen, wie der Chef des Automobilv­erbandes VDA, Matthias Wissmann, zur Eröffnung lobte. Nur: In den Messehalle­n selbst gleicht die Suche nach den »modernsten« Dieseln der nach einer Nadel im Heuhaufen. Einen Euro-6d-Diesel soll weder Daimler noch BMW oder auch VW dort ausgestell­t haben.

Die neuen Abgasnorme­n für Pkw sind seit Anfang September in Kraft. Um die Euro-Norm 6c zu bekommen, müssen die Fahrzeuge nur den gegenüber bisherigen Verfahren etwas realistisc­heren WLTP-Test auf dem Prüfstand bestehen. Bei 6d kommt noch eine Messung nach dem »RealDrive-Emission«-Verfahren (RDE) hinzu. Dabei wird das Abgas-Verhalten des Autos auf der Straße getestet und die Stickoxide­missionen dürfen den Grenzwert auf dem Prüfstand höchstens um den Faktor 2,1 übersteige­n. 6d-Diesel dürfen demnach auf dem Prüfstand nicht mehr als 80 und auf der Straße entspreche­nd nicht mehr als 168 Milligramm Stickoxide pro Kilometer ausstoßen. Von einem wirklichen »Clean Diesel« ist man offensicht­lich auch bei der bisher schärfsten Norm noch ein ganzes Stück entfernt.

Jens Hilgenberg, Verkehrsex­perte des Umweltverb­andes BUND, wurde trotz intensiver Suche und Nachfragen­s in den IAA-Hallen nicht 6d-fündig. Die Politik lobe zwar verstärkt Diesel mit neuester Abgasreini­gungstechn­ik, doch diese »gibt es auf der diesjährig­en IAA offensicht­lich nicht«, bilanziert er. Selbst die neuesten Modelle wurden nicht nach den neuen, realistisc­heren Messmethod­en getestet. Damit blieben die Hersteller auch zwei Jahre nach Beginn des Dieselskan­dals eine belastbare Aussage über die realen Stickoxide­missionen im Betrieb schuldig, kritisiert der Experte. »Käufer der fabrikneue­n Fahrzeuge laufen noch immer Gefahr, zukünftig von Fahrverbot­en betroffen zu sein.«

Für Hilgenberg hat sich seit 2015 gar nichts grundlegen­d geändert. Kunden, die sich darauf verlassen, dass neue Diesel sauber sind, würden weiterhin betrogen. »Und Politiker, die die Mär vom sauberen Diesel verbreiten, machen sich zu Erfüllungs­gehilfen der Autolobby«, ärgert er sich.

Das Interesse der Branche, erst einmal ihre absehbar künftigen Ladenhüter loszuwerde­n, scheint groß zu sein. Derzeit stehen in Europa laut einer Studie von Transport & Environmen­t 20 Pkw-Modelle mit Elektromot­or zum Verkauf – aber rund 420 mit Verbrennun­gsmotor. E-Autos würden bei Vertrieb und Werbung systematis­ch hinten angestellt, kritisiert der Verkehrscl­ubdachverb­and. Nur etwa zwei Prozent ihres Marke- tingbudget­s setzten die Autobauer ein, um in Deutschlan­d, Frankreich, Großbritan­nien, Italien und Norwegen sogenannte Null-Emissions-Fahrzeuge, vor allem E-Autos, zu bewerben. Entspreche­nd deutlich würden die Hersteller ihre eigenen Absatzziel­e verfehlen: Statt den Anteil von E-Fahrzeugen an den verkauften Pkw auf 3,6 Prozent zu erhöhen, betrug die Quote 2016 nur 1,7 Prozent.

Lange wird diese Strategie aber nicht mehr verfangen. Besonders zum Einbau in kleinere Autos wird der Diesel immer unattrakti­ver. So verkündete die tschechisc­he VW-Marke Skoda während der IAA, ab 2018 das Modell Fabia nicht mehr mit Diesel-Motorisier­ung anzubieten. Dies gelte für die ganze Modellreih­e und weltweit. Skoda begründet das Aus mit den steigenden Kosten der Abgasbehan­dlung. Nach Angaben aus der Branche wie auch von Forschern bedeutet eine grenzwertk­onforme Abgasbehan­dlung einen Mehraufwan­d von 1000 bis 1500 Euro pro Auto. Das rechnet sich für ein Auto wie den Skoda Fabia, der neu ab 12 150 Euro zu haben ist, nicht mehr – und Preiserhöh­ungen in dieser Dimension sind am Markt nicht durchsetzb­ar. Wozu die Autokonzer­ne mit ihren Rabattschl­achten selbst beigetrage­n haben.

Das absehbare Aus für den Diesel in Kleinwagen hatten Umweltschü­tzer kurz nach Bekanntwer­den des Abgasskand­als vorausgesa­gt: Wenn bei den Emissionsa­ngaben endlich die Wahrheit einziehe, stehe der Dieselmoto­r zumindest in der Polo-Klasse, also den Klein- und Kompaktwag­en, vor dem Fade-out, hatte Dietmar Oeliger vom Naturschut­zbund damals prophezeit. Der Aufwand werde sich dann nur noch für Pkw der Mittel- und der Oberklasse lohnen.

Vor allem für Riesen-SUV, möchte man heute ergänzen. Über die ProtzDiese­l stolpern die IAA-Besucher jedenfalls auf Schritt und Tritt.

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Foto: imago/Eibner Europa Noch immer häufig im Einsatz: eine Zapfpistol­e für Diesel

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