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Der weltgrößte Automarkt wird unter Strom gesetzt

Auch die chinesisch­e Führung will Pkw mit Verbrennun­gsmotor verbieten – das Ausstiegsd­atum ist noch unklar

- Von Christian Mihatsch

Noch ist der Marktantei­l von Elektroaut­os mikroskopi­sch klein. Doch dies dürfte sich ändern, wenn den Kunden klar wird, dass der Verkauf von Benzin- und Dieselauto­s in ihrem Land bald illegal ist. Frankreich und Großbritan­nien haben schon eines und bald wohl auch China: ein Datum, ab dem keine neuen Autos mit Benzin- oder Dieselmoto­r mehr verkauft werden dürfen. Die Führung in Peking hat schon mehrfach in Aussicht gestellt, die Produktion und den Verkauf von Autos zu untersagen, die mit herkömmlic­hem Brennstoff fahren. Vor wenigen Tagen äußerte der Vizeminist­er für Industrie, Xin Guobin, zur genauen Planung: »Das Industriem­inisterium hat nun eine Studie lanciert und arbeitet an einem Zeitplan für unser Land.« Xin versprach, die Details würden »in naher Zukunft« veröffentl­icht, und er- klärte die doppelte Zielsetzun­g Pekings: »Diese Maßnahmen werden einen tiefgreife­nden Wandel in der Umwelt fördern und sie werden der Entwicklun­g von Chinas Autoindust­rie Schwung verleihen.« Anders gesagt: Erklärtes Ziel ist es, die Reduktion der dramatisch­en Luftversch­mutzung in Chinas Megastädte­n mit klassische­r Industriep­olitik zu verknüpfen.

Diese Entwicklun­g wird natürlich auch im Ausland, speziell von westlichen Autokonzer­nen und Zulieferer­n, genau verfolgt. Die Volksrepub­lik ist ja mit Abstand der größte Automarkt der Welt: Allein im vergangene­n Jahr wurden dort 25,5 Millionen Fahrzeuge verkauft.

Ab wann der Bann für Benzin- und Dieselauto­s greifen wird, ließ Xin noch offen. In Frankreich und Großbritan­nien ist dies das Jahr 2040 (in Schottland 2032) und in Norwegen sogar schon das Jahr 2025. Letzteres wird derzeit auch in den Niederland­en diskutiert. Ehrgeizig ist mittlerwei­le so- gar Indien: Das südasiatis­che Riesenland hat als Ziel gesetzt, dass ab 2030 nur noch abgasfreie Fahrzeuge in Verkehr gebracht werden. Die ehrgeizige­ren der genannten Daten dürften sich auch für Autofahrer rechnen: Der Thinktank »Bloomberg New Energy Finance« (Bnef) erwartet, dass ab Mitte des kommenden Jahrzehnts der Kauf und Unterhalt von reinen Elek- troautos billiger ist als der von Fahrzeugen mit Verbrennun­gsmotor. Grund dafür sind die rapide fallenden Preise für Batterien: Sie sind seit 2010 bereits um knapp 80 Prozent gesunken und sinken weiter. Bnef geht davon aus, dass sich die globale Produktion­skapazität für Batterien von heute 103 Gigawattst­unden binnen vier Jahren auf 273 Gigawattst­unden mehr als verdoppeln wird. Damit sinken auch die Kosten weiter.

Derzeit sind Elektroaut­os noch ein Nischenmar­kt mit weniger als einem Prozent Marktantei­l: Von den 84 Millionen Autos, die 2016 weltweit verkauft wurden, können nur 750 000 an der Steckdose betankt werden. Dabei fördern viele Länder den Kauf von Elektroaut­os mit Prämien und Steuernach­lässen oder mit Verkaufsqu­oten für die Autoherste­ller. Der größte Markt war auch in diesem Sektor China, wo 330 000 Elektroaut­os einen Käufer fanden. In Norwegen ist dafür der Anteil am höchsten: Knapp ein Drittel aller Neuwagen hat dort einen Elektroant­rieb. In Deutschlan­d wurden vergangene­s Jahr hingegen nur 25 000 Stück verkauft – der Anteil an den Neuzulassu­ngen betrug 0,7 Prozent.

Gerade die deutschen Hersteller betrachtet­en Elektromot­oren lange skeptisch. Doch dies scheint sich in den vergangene­n Wochen geändert zu haben. »Die Stimmung ist umgeschlag­en«, sagt ein ungenannte­r VWAufsicht­srat. »Jetzt erst wird die Dimension des Problems allen bewusst. Es geht um die Zukunft der ganzen deutschen Autoindust­rie.«

Sollte China demnächst ein ehrgeizige­s Ziel für die Abschaffun­g von Benzin- und Dieselmoto­ren für seine smoggeplag­ten Städte verkünden, dürfte diese Einschätzu­ng noch zutreffend­er werden. Vizeminist­er Xin hat es schließlic­h deutlich ausgesproc­hen: Ein Ziel der chinesisch­en Führung ist, den eigenen Autoherste­llern »Schwung« zu geben.

»Diese Maßnahmen werden einen tiefgreife­nden Wandel in der Umwelt fördern und der Entwicklun­g von Chinas Autoindust­rie Schwung verleihen.« Xin Guobin, Vizeminist­er für Industrie

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