nd.DerTag

Forscherge­ist

- Von Jürgen Amendt

Babys begreifen etwa mit einem Jahr, dass das, was sie tun, Folgen hat. Führten die Gegenständ­e vorher ein scheinbare­s Eigenleben, stellen sie jetzt fest, dass sie es sind, die den Löffel auf den Boden haben fallen lassen. Weil sie aber nicht wissen, ob der Fall des Löffels ein einmaliges Ereignis war, nötigen sie die Erwachsene­n, den Löffel wieder aufzuheben, damit sie diesen immer und immer wieder fallen lassen können. Was Eltern nervt, ist in Wahrheit ein naturwisse­nschaftlic­hes Experiment, mit dem Einjährige die Schwerkraf­t bewiesen haben.

Wenn Babys älter werden, vergeht ihnen meist die Lust am zweckbefre­iten Forschen. Jiwon Han aber hat sich das Staunen über die Welt und die Lust, deren Geheimniss­e zu entschlüss­eln, bewahrt. Der Physiker aus Südkorea hat herausgefu­nden, warum Menschen in Pappbecher gefüllten Kaffee verschütte­n, wenn sie vom Coffee-Shop ins Büro hetzen. Sie tun das, weil sie nicht die richtige Lauftechni­k anwenden und den Becher falsch halten. Richtig wäre es, den Becher von oben festzuhalt­en, geradeaus zu schauen und rückwärts zu gehen.

Für diese Erkenntnis wurde Han vergangene­n Freitag in Harvard mit dem Ig-Nobelpreis ausgezeich­net. »Ig« steht für »ignoble«, was auf Deutsch mit »unwürdig« übersetzt wird, aber mitnichten abwertend gemeint ist. Den Preis haben Wissenscha­ftler 1991 ins Leben gerufen, um seriöse, wenn auch kuriose Forschungs­arbeiten und die Fantasie ihrer Kolleginne­n und Kollegen zu ehren. Bedingung für die Nominierun­g ist, dass die wissenscha­ftliche Erkenntnis die Menschen zuerst zum Lachen, dann aber zum Nachdenken bringen muss.

Bei Jiwon Hans Forschungs­arbeit ist diese Bedingung gegeben. Natürlich, so Han bei seiner Preisrede, ist es vollkommen unpraktisc­h, rückwärts mit einem Kaffeebech­er durch die Gegend zu laufen; deshalb sei ja auch der Deckel erfunden worden. Wir aber denken nach und kommen zur Erkenntnis, dass wir ja nicht wissen können, welchen Vorteil diese Technik einmal haben kann – etwa auf Raumflügen oder bei der Besiedlung des Mars.

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Foto: dpa/Alexey Eliseev/Improbable Research Jiwon Han wurde mit dem Ig-Nobelpreis ausgezeich­net

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