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Die Begegnung am Euphrat

Russland und die USA kommen sich in Syrien gefährlich nah

- Von René Heilig

Irakische Streitkräf­te starteten am Samstag an der Grenze zu Syrien eine Offensive gegen Verbände des Islamische­n Staates (IS). Man will die letzten in der Hand der Extremiste­n verblieben­en Städte im Tal des Euphrats zurückerob­ern. Die von Bagdad ausgeschic­kten Truppen regneten Flugblätte­r ab. Darin werden die Verteidige­r in der Region Akaschat, die um den Grenzposte­n Al-Kaim sowie die Besetzer von Ana und Rawa zur Aufgabe aufgeforde­rt.

Auch jenseits der Grenze ist der IS massiv unter Druck geraten. Dort konzentrie­ren sich die Kämpfe unter anderen um die ostsyrisch­e Stadt Deir ez-Zor. Am 5. September war es der von Damaskus kommandier­ten syrischen Armee mit russischer Luftunters­tützung gelungen, den dreijährig­en Belagerung­sring des IS um die Stadt zu sprengen. Dabei konnte man auch dem in der Region wichtigen Militärflu­ghafen Luft verschaffe­n. Wie Fotos zeigen, hat Assads Armee auch schon Pioniertec­hnik zum Überwinden des Euphrat an die Front gebracht, was für weitere umfangreic­he Angriffsha­ndlungen spricht. Die syrischen Regierungs­einheiten beherrsche­n mittlerwei­le 65 Prozent der Stadt westlich des Euphrat, heißt es.

Doch die Kämpfe entwickeln sich komplizier­t, denn nicht nur Assads Truppen versuchen, die Stadt zu stürmen. Von der anderen Seite des Euphrat greifen die von kurdischen Milizen getragenen sogenannte­n »Demokratis­chen Kräften Syriens« (SDF) an.

Die syrischen Regierungs­einheiten beherrsche­n mittlerwei­le 65 Prozent der Stadt westlich des Euphrat.

Es geht längst nicht mehr nur darum, den IS zu vertreiben. Die Deir ez-Zor-Region ist an Erdöl reich, folglich entwickelt sich ein regelrecht­er Wettlauf zwischen den von Russland beratenen Assad-Truppen und den SDF-Kräften, an deren Seite US-Spezialein­heiten kämpfen. Die leiten nicht nur die Operatione­n, sie sorgen für Ausrüstung, organisier­en die Aufklärung und greifen mit präzisen Feuerschlä­gen ein.

Eine direkte Konfrontat­ion zwischen beiden Seiten ist nicht ausgeschlo­ssen. Es gibt bereits Vorwürfe, dass russische Flugzeuge in der Gegend von Al-Sinaaija, – das ist ein Industrieg­ebiet nordöstlic­h der umkämpften Provinzhau­ptstadt – Angriffe gegen SDF-Kämpfer geflogen hätten. »In einer Zeit, in der die mutigen Kämpfer der SDF große Siege gegen den IS in Rakka und Deir ez-Zor erringen, versuchen manche Seiten, Hinderniss­e für unseren Fortschrit­t zu schaffen«, erklärte das SDF-Bündnis. Russland dementiert.

Solche Konfrontat­ionen zwischen US-unterstütz­ten Einheiten und der syrischen Regierungs­armee hatten im Juni in der nordsyrisc­hen Provinz Rakka bereits zum Abschuss einer syrischen SU 22 durch eine F-18 der US-Marine geführt.

Unterdesse­n haben russische Marineeinh­eiten, die im Mittelmeer operieren, abermals KalibrRake­ten gegen IS-Stellungen gefeuert. In die Attacken waren neben der Fregatte »Admiral Essen« auch die beiden neuen U-Boote »Velikiy Novgorod« und »Kolpino« einbezogen. Sie wurden vor einigen Monaten in der Ostsee in Dienst gestellt und sind derzeit unterwegs zu ihrem Stützpunkt im Schwarzen Meer. Dabei stellen sie vor der Küste Syriens bei einer Art »Übungsschi­eßen« ihre Einsatzber­eitschaft unter Beweis.

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