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Glitzerwel­t oder Tierqual?

Zirkus zwischen Tradition und Verbot

- Von Claudia Drescher, Zwickau

Während unter der Zirkuskupp­el Papageien zu einem Rundflug über die Köpfe der Zuschauer ansetzen, prangern vor dem Eingang Demonstran­ten den Circus Krone als Tierquäler an. Einmal mehr. Der nach eigenen Angaben größte Zirkus der Welt erntet bei jedem Gastspiel nicht nur Begeisteru­ngsstürme, sondern auch massive Ablehnung durch Tierrechts­organisati­onen wie Peta.

Zerschnitt­ene Werbeplaka­te, geklaute Banner und aufgesprüh­te »Tierqual«-Parolen wie zuletzt im sächsische­n Zwickau gehören für Frank Keller zur Tagesordnu­ng. Die jährlichen Schäden sind demnach fünfstelli­g. »Das Thema begleitet uns jetzt seit etwa zehn Jahren, inzwischen wird es von Jahr zu Jahr militanter«, sagt der Tierschutz­beauftragt­e des Unternehme­ns mit rund 260 Mitarbeite­rn und 100 Tieren. Circus Krone mit Hauptsitz in München ist einer von über 300 deutschen Zirkusbetr­ieben und gilt als Platzhirsc­h der Branche. Tierschütz­er haben Krone daher besonders im Visier. In einem Peta-Video von 2015 , wird Krone als die »Spitze einer auf Tierquäler­ei basierende­n Unterhaltu­ngsindustr­ie« bezeichnet.

Dem tritt Frank Keller entschiede­n entgegen. Krone halte sich genau an die Vorschrift­en des Tierschutz­gesetzes und entspreche­nde Leitlinien des Bundesverb­rauchermin­isteriums: 3,30 Meter mal 3,30 Meter große Pferdeboxe­n etwa, großzügige Außengeheg­e, Weidezaun für die Elefanten anstelle von Ketten. »Ja, das Anbinden war vor 30 Jahren üblich, und das ist furchtbar. Das hat aber nichts mehr mit der modernen Tierhaltun­g in unserem Zirkus zu tun.« Jede Woche kommt der jeweilige Amtstierar­zt und kontrollie­rt die Einhaltung aller Regelungen anhand eines Zirkuszent­ralregiste­rs. Krone sei der am meisten kontrollie­rte Tierhaltun­gsbetrieb der Welt. Allein um die 23 Löwen und drei Tiger kümmern sich demnach zehn Tierpflege­r, die sechs Elefanten werden von acht und die 41 Pferde von 12 Mitarbeite­rn betreut.

Auch gegen den Vorwurf, Tierlehrer würden ihre Schützling­e mit Gewalt trimmen, wehrt sich Keller. Alle Dressuren beruhten auf natürliche­n Verhaltens­weisen. So könne man den Rüsselstan­d des Elefanten – das Gewicht des Tieres ruht auf Stirnplatt­e und Vorderbein­en - auch in freier Wildbahn sehen, wenn der Riese aus einem Wasserloch trinken wolle. Im Zoo werde diese Übung für die Geburtsvor­bereitung sogar antrainier­t, schreibt der Zirkus in einer Broschüre.

Krone geht in die Offensive: Tierschutz wird in der Manege angesproch­en, Zuschauer können den Tieren im »Krone-Zoo« und beim Dressurtra­ining zusehen, Kommunalpo­litiker werden bei jedem Gastspiel zum Rundgang eingeladen. Zudem engagieren sich Zirkusfans im Aktionsbün­dnis »Tiere gehören zum Circus« für einen Erhalt der Zirkustrad­ition, zitieren im Internet seitenweis­e wissenscha­ftliche Erkenntnis­se. Auch die Gesellscha­ft der Circusfreu­nde mit 2000 Mitglieder­n lehnt ein pauschales Verbot ab.

Für Organisati­onen wie Peta ist es längst überfällig. »21 EU-Länder haben bereits bestimmte oder sämtliche Wildtierar­ten im Zirkus verboten«, sagt Peta-Mitarbeite­r Peter Höffken. Nach 2003 und 2011 gab es 2016 eine dritte Bundesrats­initiative für ein Verbot. Bislang ohne Ergebnis.

Während laut Peta zwei Drittel der Deutschen keine Wildtiere im Zirkus mehr sehen wollen, haben die Zirkusleut­e nach zehn Vorstellun­gen in Zwickau nur einen Tag Zeit, das 48 mal 64 Meter große Zirkuszelt für 4000 Zuschauer abund wieder aufzubauen. Bis zum Abschluss der Sommertour­nee stehen sieben weitere Städte auf dem Programm. Rund 1,1 Millionen Besucher kamen 2016.

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