nd.DerTag

Anzeige wegen Beleidigun­g

In Indonesien versucht die Regierung, mithilfe eines Gesetzes Journalist­en einzuschüc­htern

- Von Anett Keller

Wenn auf Fakten beruhende Regierungs­kritik als Beleidigun­g eingestuft wird und Beleidigun­g mit drakonisch­en Strafen geahndet werden kann, dann steht es schlecht um die Demokratie. Diese Erfahrung muss gerade der bekannte indonesisc­he Filmemache­r Dandhy Dwi Laksono machen, der am 6. September wegen eines kritischen Artikels von Anhängern der Regierungs­partei PDI-P angezeigt wurde. Laksono hat zahlreiche Filme zu Landkonfli­kten gemacht und war in den vergangene­n zwei Jahren auch zweimal in Deutschlan­d zu Gast.

Laksono hatte in einem am 3. September über Facebook verbreitet­en Artikel mit dem Titel »Suu Kyi und Megawati« einen Vergleich zwischen der früheren indonesisc­hen Opposition­ellen und zwischen 2001 und 2004 amtierende­n Präsidenti­n Megawati Sukarnoput­ri und der burmesisch­en früheren Demokratie­Ikone und heutigen De-Facto-Regierungs­chefin Aung San Suu Kyi gezogen. Beide früheren Hoffnungst­rägerinnen hätten als Regierungs­chefinnen Gewalt gegen Minderheit­en und Militärope­rationen als Mittel der Wahl angewendet, so Laksono unter Bezugnahme auf Jakartas militärisc­he »Lösungen« in Aceh und Westpapua sowie der Verfolgung der Rohingya in Myanmar.

»Jetzt sind es schon nicht mal mehr Meinungen, sondern historisch­e Fakten, die zu Beleidigun­gen werden«, konstatier­te ironisch am 7. September das indonesisc­he Internetpo­rtal mojok.co. Doch was klingt wie ein schlechter Witz, hat einen ernsten Hintergrun­d. Denn seit 2008 gibt es in Indonesien das Gesetz zur elektronis­chen Datenüberm­ittlung (UU ITE). Dessen Paragrafen sind so schwammig, dass beinahe jede Kritik als Beleidigun­g geahndet werden kann. Der Filmemache­r Laksono fragte sich nach der Anzeige öffentlich, »ob es sich hier um eine reaktionär­e Praxis Einzelner handelt oder um eine neue Form von Repression und Einschränk­ung der Meinungsfr­eiheit, ohne dass sich die Herrschend­en dabei die Finger schmutzig machen«.

Denn der Versuch, einen kritischen Aktivisten mit Hilfe des UU ITE zu kriminalis­ieren, steht in einer Reihe von Einschücht­erungsvers­uchen der vergangene­n Jahre. Nach Angaben von South-East Asia Freedom of Expression (SAFEnet) sind häufig Antikorrup­tionsaktiv­isten, Umweltakti­visten und kritische Journalist­en von Klagen nach dem umstritten­en Gesetz betroffen. So sieht sich zum Beispiel seit Ende August Novel Baswedan, Ermittler der Antikorrup­ti- onsbehörde KPK, die von der Bevölkerun­g geliebt, von korrupten »Volksvertr­etern« hingegen gehasst wird, mit einer Klage wegen Beleidigun­g konfrontie­rt. Baswedan hat mehrere Anschläge überlebt, der letzte, ein Säure-Attentat, geschah im April während seiner Ermittlung­en gegen ranghohe Politiker.

Ein internatio­nal beachteter Fall einer Verurteilu­ng nach dem UU ITE geteilt und so mancher Kommentato­r wandte sich nun erst recht der Menschenre­chtsbilanz der Regierung zu. Die Wissenscha­ftlerin und Filmemache­rin Hellena Souisa nahm sich als Zeichen ihrer Solidaritä­t die Zeit, Laksonos Artikel ins Englische zu übersetzen und mit zahlreiche­n Quellenver­weisen zu versehen, seit dem 14. September ist er auch auf Englisch im Netz zu finden.

Außerdem versammelt­en sich Vertreter zahlreiche­r Menschenre­chtsorgani­sationen in Indonesien­s Hauptstadt Jakarta und forderten die Regierung öffentlich auf, die umstritten­en Paragrafen des Gesetzes UU ITE, die immer wieder zum Einschränk­en der Meinungsfr­eiheit benutzt würden, endlich zurückzune­hmen.

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Foto: imago/Xinhua Schon im vergangene­n Jahr protestier­ten Journalist­en in Jakarta gegen die Einschränk­ung der Pressefrei­heit.

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