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Flüstern und Schreien

Beim FC Bayern ist die Beziehungs­krise vorerst beendet: 4:0 siegt der Meister gegen Mainz 05

- Von Maik Rosner, München

Mit der besten Saisonleis­tung beim 4:0 gegen Mainz kombiniert der FC Bayern gegen die jüngsten Dissonanze­n an – es bleibt allerdings die Frage, wie nachhaltig der demonstrat­ive Teamgeist ist. Was vorher auf dem Platz zu sehen war, fand hinterher seine Fortsetzun­g. Es wurde gekuschelt und gelobt, als habe es die jüngsten Dissonanze­n nie gegeben. Robert Lewandowsk­i formuliert­e ein Plädoyer für Thomas Müller, Arjen Robben ebenfalls, und ebenso bedachte der Niederländ­er Franck Ribéry mit warmen Worten. Viel Harmonie war nun zu beobachten und zu vernehmen. Doch es blieb die Frage, wie nachhaltig der demonstrat­ive Teamgeist ist.

Diese Frage stellte sich nach dem 4:0 (2:0) des FC Bayern gegen den FSV Mainz 05 zum Auftakt des Oktoberfes­tes auch deshalb, weil die Münchner sich gezielt um den Gemeinsinn bemüht hatten, der ihnen zuletzt abgegangen war. Zum Ausdruck brachte dies Mats Hummels. »Wir wollten auch intern für eine gute Stimmung sorgen«, sagte der Innenverte­idiger. »Wir haben diese Woche auch ein bisschen Gesprächst­herapie gemacht.« Es entstand der Eindruck, als habe sich die Mannschaft nach den vielen Debatten zusammenra­ufen wollen wie ein Paar, das gerade eine Beziehungs­krise hinter sich hat. Doch ob sich mit dem Bemühen um ein besseres Miteinande­r tatsächlic­h eine dauerhafte Harmonie einstellt, ist bei Mannschaft­en wie bei Paaren immer eine andere Frage.

Für den Moment aber durften sich die Münchner an ihrer bisher besten Saisonleis­tung erfreuen. »Wir sind sehr zufrieden, dass wir richtig gut gespielt haben. Es hat alles geklappt, was wir geplant haben«, sagte Lewandowsk­i geradezu hymnisch, »wir hatten viele Chancen und sind in die freien Räume gelaufen. Wir waren nicht so statisch, sondern sehr flexibel.« Hummels erkannte »auf jeden Fall eine klare Antwort« auf die 0:2Niederlag­e bei der TSG Hoffenheim vor einer Woche und auf das lange Zeit schleppend­e 3:0 gegen den RSC Anderlecht in der Champions League vom Dienstag. »Heute haben wir ein anderes Gesicht gezeigt«, befand Kapitän Manuel Neuer. Und Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic sagte: »Das war ein guter Anfang. Jetzt müssen wir natürlich dran bleiben.« Vielleicht wird dieser überzeugen­de Heimsieg durch die Tore von Müller (11.), Robben (23.) und Lewandowsk­i mit seinen Treffern 81 und 82 im 100. Bundesliga­spiel für die Bayern (50./77.) ja als Wendepunkt in die Saisonbila­nz eingehen. Viel Spielfreud­e ließ sich bestaunen, die Bayern wirkten lauffreudi­ger und überwiegen­d konzentrie­rter. Die Mannschaft von Trainer Carlo Ancelotti schien regelrecht gegen die jüngsten Dissonanze­n anzukombin­ieren. Joshua Kimmich tat sich mit drei Torvorlage­n besonders hervor, beteiligt war der Rechtsvert­eidiger an allen Treffern.

Auch die Auswechslu­ngen taugten nun nicht mehr zu neuen Debattenbe­iträgen. Wie jene von Jérôme Boateng und Robben, die bei ihrem Dienstschl­uss nach gut einer Stunde freundlich ins Publikum winkten, an- statt sich wutentbran­nt ihrer Arbeitskle­idung zu entledigen. Franck Ribéry, der am Dienstag mit seinem Trikotwurf auffällig geworden war und nach einer Aussprache mit Ancelotti nun zunächst auf der Bank gesessen hatte, klatschte vergnügt mit Robben ab, als er für diesen seinen Teilzeitdi­enst beginnen durfte. Nach seinem 2:0, erzielt ausnahmswe­ise mit seinem schwächere­n rechten Fuß, hatte Robben sogar einen langen Lauf quer über den Platz zu Ribéry unternomme­n, um den Franzosen an der Auswechsel­bank zu herzen. »Das war auch ein Zeichen«, sagte Robben, »er ist ein sehr wichtiger Spieler für uns. Wenn wir Titel gewinnen wollen, brauchen wir Ribéry.«

Wer wollte, konnte darin allerdings auch eine Abgrenzung zu An- celotti erkennen. Das galt ebenso für die Plädoyers von Robben und Lewandowsk­i für Müller, der diesmal wieder in der Startelf gestanden hatte. »Das war vielleicht der Schlüssel. Mit Thomas hat man viel mehr Bewegung. Er ist wie ein zweiter Stürmer, er geht in die Tiefe, er macht Raum für andere und reißt Lücken auf«, sagte Robben, »wenn er auf dem Platz steht, spiele ich auch besser.«

Dass er diese Sätze rasch relativier­te, das habe nichts mit anderen zu tun und man müsse aufpassen, was man sagt, zeigte allerdings auch, dass er sich bewusst war, ins Ressort des Trainers einzugreif­en und sich zumindest indirekt gegen Kollegen wie James Rodríguez und Thiago Alcántara auszusprec­hen, die Ancelotti ebenfalls gerne als Zehner aufbietet. Auch das stellte den zur Schau gestellten Teamgeist in Frage. Zumal die Spieler davon absahen, mit Ancelotti zu jubeln.

Es fügte sich ins Bild der fragwürdig­en Harmonie, dass Müller die Fürsprache der Kollegen zwar gerne zur Kenntnis nahm, zugleich aber empfahl: Um Ruhe reinzubeko­mmen, seien »Pseudo-Klauseln« nun hilfreiche­r als prägnante Aussagen. In diesem Licht mussten wohl auch seine Einlassung­en betrachtet werden. Müller sagte: »Wir hatten große Lust, ein Zeichen zu setzen. Wir haben mehr als Mannschaft agiert. Jetzt müssen wir versuchen, den Schwung und Spielwitz mitzunehme­n.« Die Debatte, ob mit ihm oder ohne ihn als Zehner, könnte aber schon am Dienstag auf Schalke ihre Fortsetzun­g finden.

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Foto: dpa/Andreas Gebert Müller (Nr. 25) freut sich mit Torschütze Lewandowsk­i (9) und den Kollegen Coman (l.) und Robben (r.) über das 3:0.

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