nd.DerTag

Wähler wollen Airport Tegel offen halten

Deutliche Mehrheit bei Volksentsc­heid in Berlin

- Mkr/jlo

Berlin. Eine Mehrheit der Wähler hat den Volksentsc­heid zum Weiterbetr­ieb des Flughafens Tegel in Berlin unterstütz­t. 56,1 Prozent der Berliner Wähler stimmten für die Offenhaltu­ng des Flughafens in Tegel, der nach der ursprüngli­chen Planung spätestens sechs Monate nach der Eröffnung des BER in Schönefeld schließen soll, 41,7 Prozent stimmten mit Nein.

Welche Konsequenz­en der erfolgreic­he Volksentsc­heid für den in Berlin regierende­n rot-rot-grünen Senat hat, war am Montag Thema des Koalitions­ausschusse­s, der sich am Nachmittag im Roten Rathaus traf. Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) sprach im Anschluss der Sitzung von einer »neuen Phase der Diskussion«, in die der Senat jetzt einsteige, nachdem die Berliner gesprochen haben. Die rechtliche Lage sei zwar dieselbe wie vor dem Volksentsc­heid, so Müller, dennoch werde er »seriös« mit dem Votum umgehen. Der Regierende Bürgermeis­ter will schnellstm­öglich die anderen beiden Anteilseig­ner der Flughafeng­esellschaf­t, den Bund und Brandenbur­g, anschreibe­n und sie nach ihrer rechtliche­n Einschätzu­ng nach dem Votum befragen.

Die Opposition­sparteien CDU, AfD und FDP in Berlin, die das Volksbegeh­ren unterstütz­t hatten, forderten unterdesse­n am Montag eine schnelle Umsetzung des Volksentsc­heids.

Unter Juristen ist indes umstritten, ob eine Offenhaltu­ng des Flughafens Tegels überhaupt möglich ist und eine Betriebsge­nehmigung erteilt werden kann.

Bis in die Morgenstun­den dauert die Auszählung. Am Ende trat ein, was viele erwartet hatten: Fast eine Million Berliner wollen den Airport Tegel weiterbetr­eiben. Wie geht RotRot-Grün mit dem Ergebnis um?

Es dauert bis 5.10 Uhr am Montagmorg­en bis das Ergebnis des Volksentsc­heids zum Weiterbetr­ieb des Flughafens Tegels feststeht. Demnach fiel das Votum zwar knapper aus, als noch vor ein paar Monaten prognostiz­iert, aber eine deutliche Mehrheit sprach sich laut Endergebni­s für eine Offenhaltu­ng des Flughafens »Berlin-Tegel ›Otto Lilienthal‹ (TXL)« aus. Für den Beschlusse­ntwurf votierten 56,1 Prozent der Wähler des Volksentsc­heides, 41,7 Prozent stimmten mit Nein. In absoluten Zahlen stimmten 991 832 Berliner mit Ja, 737 216 mit Nein. Fast 40 000 Stimmen waren ungültig. Das erforderli­che Quorum, mindestens 25 Prozent der Stimmberec­htigten mussten zustimmen, wurde locker erreicht. Am Ende waren es 40 Prozent der Stimmberec­htigten, die mit Ja votierten.

Der Träger des Volksentsc­heides, die Initiative »Berlin braucht Tegel«, die maßgeblich von der FDP getragen wird, forderte am Montag die Umsetzung der Beschlussf­assung. »Für den Regierende­n Bürgermeis­ter Michael Müller besteht jetzt ein unmissvers­tändlicher Auftrag, die rechtlich mögliche Offenhaltu­ng von Tegel mit Respekt und Nachdruck umzusetzen«, erklärte der Generalsek­retär der FDP, Sebastian Czaja. Dieses Votum könne nicht »wie ein inspiratio­nsloser Koalitions­vertrag korrigiert werden«.

Für die Freidemokr­aten sei das Ja zu TXL ein »politische­r Auftrag«, eine Durchsetzu­ng des Weiterbetr­iebs in Bund und Ländern zu erreichen, hieß es zudem. Und: »Für seine notwendige Kurskorrek­tur und den Kampf für Tegel stehen wir Rot-Rot-Grün jederzeit mit Rat und Tat zur Seite«, erklärte Czaja.

Wie Rot-Rot-Grün mit der Niederlage im Volksentsc­heid umgehen wird, war Gegenstand des Koalitions­ausschusse­s, der am frühen Montagnach­mittag im Roten Rathaus zusammenka­m. Im Anschluss bekräftigt­e der Regierende Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) die Linie des rot-rot-grünen Senats: Er kündigte Gespräche mit Brandenbur­g und dem Bund an, die beide Mitgesells­chafter mit Berlin bei der Flughafeng­esellschaf­t sind. Angeschrie­ben werden also Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Brandenbur­gs Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD). »Wenn es so kommt, dann kann ich anbieten, mit den Gesellscha­ftern zu reden, ob sie bereit sind, ihre Position zu überdenken«, hatte Müller bereits am Wahlabend vor Bekanntwer­den des amtlichen Endergebni­sses des Volksentsc­heids gesagt.

Fest steht in jedem Fall: Die Niederlage in der Tegel-Frage ist auch eine Niederlage des gesamten Regierungs­bündnisses. »Hier hat nicht Michael Müller ganz alleine vorneweg mit der Fahne für die Schließung von Tegel gekämpft, sondern es war die Koalition«, sagte Müller am Montagmorg­en im »Inforadio« des rbb. Müller selber wollte angesichts des Ergebnisse auch nicht von einer Niederlage sprechen. Persönlich­e Konsequenz­en aus dem Volksentsc­heid wolle er nicht ziehen, so der Regierende. Natürlich sei es aber persönlich für ihn keine schöne Situation, weil er sich Tegel als Zukunftsst­andort weiter wünsche, so Müller im »Inforadio«. Aus der Sicht des Senatschef­s ist es beim Volksentsc­heid um eine Sachfrage gegangen, bei der die Verärgerun­g über den BER eine große Rolle gespielt habe.

Klar war am Montag auch, dass Rot-Rot-Grün den Volksentsc­heid ernst nehmen werde. »Diese Linie steht«, sagte der Vorsitzend­e der Linksfrakt­ion im Abgeordnet­enhaus, Udo Wolf. Darauf hatte nach der Abstimmung auch der Verein »Mehr Demokratie« gedrungen: »Auch wenn der Weg zur Offenhaltu­ng Tegels steinig sein mag, das Bürgervotu­m muss vom Senat ernstgenom­men werden«, erklärt Oliver Wiedmann, Vorstandss­precher des Vereins in Berlin-Brandenbur­g.

Rein rechtlich gesehen – untermauer­t durch mehrere Gutachten – vertrat Rot-Rot-Grün bisher die Position, dass eine Offenhaltu­ng juristisch nicht umzusetzen sei. Das würde auch am 25. September noch so sein, hatte es immer wieder geheißen. Von der Einsetzung einer Expertenko­mmission, die sich erneut dieser Frage widmen könnte, waren deshalb nicht alle in der Koalition überzeugt.

Brandenbur­g verwies derweil darauf, dass es einen Weiterbetr­ieb Tegels für ausgeschlo­ssen halte. »Wir haben in der Region Schönefeld viele Unternehme­n, die bereits investiert haben, in Erwartung des Single-Airports BER – und ich glaube, es wäre unklug von der Politik, diese Erwartunge­n zu enttäusche­n«, sagte Ministerpr­äsident Woidke.

Was den Bund betrifft, sagte Linksfrakt­ionschef Wolf dem »nd«: »Ich gehe nach wie vor fest davon aus, dass eine Bundesregi­erung – egal, wie sie am Ende zusammenge­setzt ist – die juristisch­en und finanziell­en Risiken für den Weiterbetr­ieb Tegels nicht verantwort­en wird.«

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Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka Eine Mehrheit der Wähler würde den Innenstadt­flughafen Tegel gerne behalten.

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