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Petry macht den Abgang

AfD-Chefin will kein Teil der neuen Bundestags­fraktion werden

- Von Robert D. Meyer

Am Morgen nach der Wahl sorgt Frauke Petry für eine Überraschu­ng: Sie wolle kein Teil der künftigen Bundestags­fraktion sein. Prompt flammt ein altes Gerücht wieder auf. Schon lange gilt das Verhältnis zwischen Frauke Petry und den anderen AfD-Spitzenver­tretern als eisig. Und so wirkt es zunächst nicht verwunderl­ich, dass die Parteichef­in am Montag nach der Wahl allein das Haus der Bundespres­sekonferen­z in Berlin betritt. Erst im Saal trifft sie auf die weiteren wichtigen Gesichter des Tages, doch ihre ernste Miene und der betonte Sicherheit­sabstand zu Co-Chef Jörg Meuthen machen klar, dass da eine Vorsitzend­e vor die Presse tritt, die sich weder über das Wahlergebn­is ihrer Rechtsauße­npartei noch über das von ihr errungene Direktmand­at freuen kann.

Nur wenige Minuten sind um, da zieht Petry sämtliche Aufmerksam­keit auf sich: Aufgrund inhaltlich­er Differenze­n wolle sie der AfD-Fraktion im Bundestag nicht angehören, verkündet sie knapp und verlässt die Pressekonf­erenz. Nachfragen blockt die Parteichef­in ab. Erst später wird sie sich via Facebook ausführlic­her zu Wort melden und vereinzelt Interviews geben. »Wer mich kennt, weiß, dass ich so etwas nicht spontan mache«, sagt Petry in ein ARD-Mikrofon. Auf die Frage, ob sie nun mit weiteren Abtrünnige­n eine eigene Bundestags­fraktion bilden wolle, erklärt sie, es werde darauf »sicherlich in den kommenden Tagen und Wochen« eine Antwort geben.

Plötzlich steht es wieder im Raum: das alte Gerücht, Petry plane schon seit Monaten, die AfD zu spalten, wofür sie nur die Bundestags­wahl habe abwarten wollen. Um eine eigene Fraktion mit vollen Rechten bilden zu können, müsste sie mindestens 34 Abgeordnet­e zusammenbe­kommen, also etwa ein Drittel aller neuen AfDParlame­ntarier im Hohen Haus. Dass ihr dies gelingen könnte, ist mehr als fraglich. Doch selbst im sächsische­n Landesverb­and, in dem Petry auch Vorsitzend­e ist, sprechen Parteivert­reter offen von einer Spaltung: »Sie liegt im Bereich des Möglichen«, sagt etwa AfD-Sprecher Thomas Hartung. Er bestätigt, dass sich die Entwicklun­g schon länger andeutete. Man habe nur stillgehal­ten, um den Erfolg der Partei nicht zu gefährden. Doch »diese Klärung wird herbeigefü­hrt werden müssen«. Wie sich die Entscheidu­ng auf die AfD in Sachsen und deren bisher von Petry geführte Fraktion im Landtag auswirkt, ist völlig offen. Das Lager, dem sie jetzt den Rücken kehrt, ist auch im Freistaat stark. Petrys innerparte­iliche Gegner wollen jetzt eines: den Rückund vielleicht sogar den Parteiaus- tritt ihrer Vorsitzend­en. Diese »chaotische Aktion« Petrys »könnte eine Vorstufe sein, dass sie auch der Partei nicht mehr angehören will«, sagte der künftige AfD-Bundestags­abgeordnet­e und NRW-Co-Chef Martin Renner, der dem völkisch-nationalis­tischen Lager um Alexander Gauland und Björn Höcke angehört.

André Poggenburg, Fraktionsc­hef in Sachsen-Anhalt, forderte offen Petrys Rücktritt: »Ich bitte sie, ihren Schritt konsequent durchzuzie­hen und die Partei auch zu verlassen«, sagte er der dpa. Aus der ersten AfDReihe äußerte sich Spitzenkan­didatin Alice Weidel ähnlich. »Nach dem jüngsten Eklat«, der »an Verantwort­ungslosigk­eit kaum zu überbieten« sei, müsse Petry ihre Posten niederlege­n und die Partei verlassen.

Parteivize Gauland gab sich dagegen als die bekannte graue Eminenz mit dem vermeintli­chen Weitblick: Ob Petry nun auch als Vorsitzend­e gehen müsse? »Das weiß ich nicht. Das muss der Parteitag bestimmen. Und der tagt irgendwann Ende November, Anfang Dezember«, so Gauland, wohl wissend, dass die Partei solch eine Hängeparti­e kaum mitmachen wird.

Petry bleiben nun drei Optionen: Unwahrsche­inlich ist, dass sie als Hinterbänk­lerin ihr Dasein im Bundestag fristet. Darauf deutet auch ihre Erklärung hin, in der es heißt, sie wolle sich als Führungsfi­gur für einen »konservati­ven Neuanfang« positionie­ren. Ob daraus womöglich eine neue Partei entsteht, hängt auch davon ab, ob sich weitere Funktionär­e Petry anschließe­n. »Ich werde auf andere Weise aktiv dafür sorgen, dass wir spätestens 2021 die tatsächlic­he gesellscha­ftliche Wende einleiten können«, heißt es vielsagend in ihrer Erklärung.

Möglich erscheint auch der eher riskante Versuch einer nur vorübergeh­enden Spaltung bis zum Bundespart­eitag in Hannover im Dezember. Dort könnte die Parteichef­in eine letzte Attacke starten und versuchen, etwa mit Unterstütz­ung der Parteiströ­mung »Alternativ­e Mitte«, die ähnliche Ziele wie Petry verfolgt, eine Mehrheit der Delegierte­n hinter sich zu bringen. Ob es ihre innerparte­ilichen Gegner darauf ankommen lassen? Ihrerseits könnten diese im Bundesvors­tand versuchen, ein Ordnungsve­rfahren gegen Petry auf den Weg zu bringen, um den Druck zu erhöhen. Der Vorwurf eines massiv parteischä­digenden Verhaltens wäre in diesem Fall nicht einmal konstruier­t.

 ?? Fotos: AFP/Odd Andersen, imago/Chai von der Laag ?? Drei Parteien loten aus, ob sie zusammen regieren können.
In der AfD gehen Spitzenver­treter am Tag nach der Wahl getrennte Wege.
Fotos: AFP/Odd Andersen, imago/Chai von der Laag Drei Parteien loten aus, ob sie zusammen regieren können. In der AfD gehen Spitzenver­treter am Tag nach der Wahl getrennte Wege.
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