nd.DerTag

»Ohne Wenn und Aber«

LINKE bietet AfD die Stirn

- Von Gabriele Oertel

Es hätte ein schöner Morgen sein können. Unisono gibt das Spitzenqua­rtett der Linksparte­i am Montag vor der Presse in Berlin zu Protokoll, dass man angesichts der Wahlergebn­isse für die eigene Partei – das zweitbeste überhaupt, eine halbe Million mehr Stimmen, Zuwachs im Westen, fünf Direktmand­ate, hundertfac­he spontane Neueintrit­te – »allen Grund zur Freude« haben könnte. Wenn, ja wenn da nicht die AfD wäre. Und als sorgten deren Zustimmung­swerte nicht genug für Bitternis bei den Genossen – die Spitze der Rechtspart­ei ist auch leibhaftig im Saal der Bundespres­sekonferen­z unmittelba­r vor dem Termin mit den Fraktionsc­hefs Sarah Wagenknech­t und Dietmar Bartsch sowie den Parteichef­s Katja Kipping und Bernd Riexinger zugegen. Dass und mit welcher Inbrunst Alexander Gauland über die übliche Stunde Aufmerksam­keit hinaus noch während der LINKEN-Pressekonf­erenz vor den Glastüren ein Interview nach dem anderen gibt, könnte angesichts diverser früherer Lügenpress­e-Vorwürfe als zarter Anfang der Entzauberu­ng der sogenannte­n Alternativ­e für Deutschlan­d gewertet werden.

Freilich bekommt Gauland bei all seinen Statements nicht mit, dass die Linkspolit­iker ihm und den Seinen nur Meter entfernt entschiede­n den Kampf ansagen. »Die AfD muss wissen: In uns findet sie den härtesten Gegner«, erklärt Riexinger. Wagenknech­t sieht bei Union und SPD und deren Politik wachsender sozialer Ungerechti­gkeit die »Mütter und Väter der AfD«. Auch Kipping macht in ihrem Heimatland Sachsen die CDURegieru­ng samt ihrer »Kumpanei und Verharmlos­ung« mitverantw­ortlich für den AfD-Wahlerfolg. Und Bartsch konstatier­t nicht nur »augenfälli­gen Rechtsruck«, sondern klassifizi­ert ihn zu einem gesellscha­ftlichen Problem, »das größer ist, als Parteien es allein lösen können«. Dazu müssten Gewerkscha­ften, Kirchen und Medien ebenfalls einen Beitrag leisten.

Kipping assistiert indirekt, indem sie auf die nötige demokratis­che Mobilisier­ung der Gesellscha­ft hinweist. Sie weitet den Kreis der dafür Verantwort­lichen noch ein Stück aus: Ihr seien Fälle in Sachsens Schulen bekannt, wo Schüler auf ihre Hefte Hakenkreuz­e gemalt hätten – und die Lehrer nicht einschritt­en. Bartsch hätte gewiss ähnliche Beispiele aus Mecklenbur­g-Vorpommern parat, wehrt sich aber trotz mehrfacher Nachfrage dagegen, das Problem des Rechtsextr­emismus ausschließ­lich im Osten zu sehen. Dennoch sagt er, die LINKE müsse das Thema Ostdeutsch­land »nachjustie­ren«. Und Wagenknech­t erklärt wie schon am Wahlabend, die Linksparte­i sei auf die Ängste in der Bevölkerun­g nicht genug eingegange­n, auch ob der Befürchtun­g, Ressentime­nts zu bedienen. Wenn man möchte, dass der AfD der Boden entzogen wird, müsse man eine richtige Sozialpoli­tik machen. Und das will die LINKE. Noch einmal unisono versichert das Quartett, im nächsten Bundestag »soziale Opposition ohne Wenn und Aber« zu sein.

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