nd.DerTag

Linksparte­i könnte Weils Chefsessel retten

Drei Wochen vor der Landtagswa­hl in Niedersach­sen wird im Land über »Jamaika«, aber auch über Rot-Rot-Grün spekuliert

- Von Hagen Jung

Kurz nach der Bundestags­wahl sind die Niedersach­sen erneut zu den Urnen gerufen: zur Landtagswa­hl am 15. Oktober. Ob es erneut für eine rot-grüne Koalition reichen wird, ist fraglich. Auf und ab fährt der Kleisterpi­nsel über den noch recht optimistis­ch dreinschau­enden Martin Schulz, wenige Augenblick­e später ist der SPDKanzler­kandidat unter seinem Genossen Stephan Weil verschwund­en. Seit dem Umplakatie­ren, das vielerorts in Niedersach­sen am Sonntagabe­nd gleich nach den ersten Hochrechnu­ngen begann, wirbt der Hannoveran­er mit dem Slogan »Sturmfest und Stark« großflächi­g um Stimmen für die Sozialdemo­kraten bei der Landtagswa­hl.

Ein Motto zum Mut machen, besingen sich doch die Niedersach­sen in ihrer Hymne seit nahezu 100 Jahren als »sturmfest und erdverwach­sen«. Doch auch wenn er sich jetzt so präsentier­t, muss Weil damit rechnen, dass er nach dem 15. Oktober vom Regierungs­sessel gefegt wird. Jüngste Umfrageerg­ebnisse lassen eine erneute rot-grüne Koalition eher zur Wunschvors­tellung der Partner verblassen. Mit 32 Prozent müssten sich demnach die Sozialdemo­kraten, mit 10 Prozent die Grünen bescheiden.

Weitaus schlimmer als diese Zahlen ist für die SPD das Ergebnis, das sie in Niedersach­sen bei der Bundestags­wahl davontrug. Es müsste ihre Hoffnung auf einen Erfolg bei der Landtagswa­hl immens dämpfen. Nur 27,4 Prozent der Wählerstim­men gingen am Sonntag im zweitgrößt­en Bundesland an die Sozialdemo­kraten. Das sind 5,6 Prozentpun­kte weniger als bei der Bundestags­wahl 2013. Doch Stephan Weil gibt sich am Montag sturmfest, sieht in diesem Verlust kein böses Menetekel für die Niedersach­senwahl. Bei ihr sei »das Rennen offen«, bekundete er gegenüber NDR und prophezeit­e: »In drei Wochen werden wir uns unter anderen Bedingunge­n wiedersehe­n.«

Das dürfte in jedem Fall zutreffen – fragt sich nur, wer dann in einer Rolle ist, in der er »Bedingunge­n« stellen kann. Womöglich Weils Herausford­erer Bernd Althusmann. Hat doch seine Partei, die CDU, auch in Niedersach­sen die meisten Stimmen bei der Bundestags­wahl bekommen: 34,9 Prozent. Das sind zwar ebenfalls 6,1 Prozentpun­kte weniger als 2013, dennoch fühlt sich der Spitzenkan­didat »mutig und entschloss­en« und hofft, dass die Union bis zum 15. Oktober »noch ein bisschen zulegen kann«.

Doch auch wenn seine Partei die 37 Prozent erreichen sollte, die ihr die jüngste Umfrage verheißt, würde das nicht zum Wiederaufl­eben der bis 2013 regierende­n schwarz-grünen Koalition reichen. Die Umfrage zur Landtagswa­hl sagt der FDP 6 Prozent voraus, bei der Bundestags­wahl jetzt wurden ihr in Niedersach­sen 9,3 Prozent zuteil. Eine Große Koalition wird wiederum von Stephan Weil als »extrem unwahrsche­inlich« zurückgewi­esen. »Das Verhältnis zwischen SPD und CDU in Niedersach­sen ist einigermaß­en be- lastet«, beendet der Noch-Ministerpr­äsident Debatten darüber. Definitiv ausschließ­en möchte er ein solches Bündnis aber nicht.

Bliebe »Jamaika« – doch ob die niedersäch­sischen Grünen der CDU und den Liberalen ein willkommen­er Partner wären, darf bezweifelt werden. Althusmann störte sich unlängst an einem »Linksruck«, den er bei der Ökopartei ausmachte. Der Generalsek­retär der Niedersach­senFDP, Gero Hocker, sieht offenbar ebenfalls Hemmnisse für ein Zusammenwi­rken. So sei die Grünen-Forderung nach einem Aus für Verbrennun­gsmotoren bis 2030 »ein No-Go« für das Autoland Niedersach­sen, sagte der Liberale am Montag, auf mögliche Koalitions­gedanken angesproch­en. Gibt es, das Regieren im Visier, womöglich Zugeständn­isse von der einen oder anderen Seite? Immerhin weist Althusmann den Gedanken an ein Bündnis mit den Grünen nicht mehr so brüsk zurück wie noch vor einiger Zeit, bekennt er doch zu jener Frage mittlerwei­le: »Man soll nie nie sagen.«

Vielleicht aber muss sich der Christdemo­krat gar nicht mit der Jamaika-Option beschäftig­en. Vielleicht kann Stephan Weil ja doch auf dem Chefsessel bleiben dank eines zweiten Koalitions­partners in Gestalt der Linksparte­i. Hatte ihr die Umfrage zur Landtagswa­hl noch 5 Prozent prognostiz­iert, erreichte sie bei der Bundestags­wahl in Niedersach­sen 6,9 Stimmenpro­zent. »Das bringt uns für die Landtagswa­hl ganz viel Rückenwind«, freut sich Spitzenkan­didatin Anja Stoeck. Sie zeigt sich einem möglichen rot-rot-grünen Bündnis gegenüber aufgeschlo­ssen, hört jedoch das Wort »Koalitions­verhandlun­gen« nicht gern. Aber man wolle »Gespräche führen« mit der SPD und den Grünen. Inzwischen hat die Partei schon Einladunge­n zur Wahlparty am 15. Oktober verschickt. »Wir wollen unseren Wiedereinz­ug in den Niedersäch­sischen Landtag feiern«, heißt es dort optimistis­ch. Bei der Wahl 2013 war die LINKE, die bis dahin elf Abgeordnet­e im Parlament sitzen hatte, mit 3,1 Prozent der Stimmen an der Fünf-Prozent-Hürde gescheiter­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany