nd.DerTag

Freude über eine Bekannte

Peking sieht in Merkel verlässlic­he Partnerin

- Von Finn Mayer-Kuckuk, Peking

Die chinesisch­e Führung ist froh darüber, dass ihr mit Angela Merkel ein bekanntes Gesicht erhalten bleibt. Aus den Berichten der amtlichen Nachrichte­nagentur Xinhua sprach aber auch Besorgnis über die Trends beim wichtigen Verbündete­n Deutschlan­d. Zwar habe Chinas verlässlic­he Partnerin gewonnen. Doch die rechtsextr­eme AfD sei »überrasche­nd« drittstärk­ste Kraft im Bundestag geworden. Die wachsende Ungleichhe­it zwischen Arm und Reich und zwischen starken und schwachen Regionen hätten zur Unzufriede­nheit beigetrage­n, ebenso wie die Frage nach dem Umgang mit Flüchtling­en.

Das Nachrichte­nportal Sina.com sah vor allem das gesamteuro­päische Bild: »Macron behält mit Merkel eine verlässlic­he Verbündete beim Erhalt der Eurozone.« Der landesweit­e Staatssend­er CCTV Xinwen sprach von »Merkel 4.0« in Anlehnung an »Industrie 4.0«, also die Digitalisi­erungsstra­tegie, die China vor allem mit Deutschlan­d zusammen vorantreib­t. Kanzlerin Merkel sei für die Deutschen ein Rettungssc­hirm vor den Gefahren der Welt gewesen, doch nun fühlten sie sich nicht mehr ausreichen­d von ihr beschützt, so die Analyse. Im großen Regionalse­nder Hubei Satellite TV hieß es dagegen bei Experten, die Deutschen hätten wieder Merkel gewählt, weil sie wenig Alternativ­en gesehen haben. »Schulz kennt sich mit der EU aus, aber die Leute trauen ihm keine große Wirtschaft­skompetenz zu«, sagte Cui Hongjian vom China Institute of Internatio­nal Studies in Peking.

»Es haben sich mit dieser Wahl ganz neue Kampflinie­n eröffnet.«

Cui Hongjian vom China Institute of Internatio­nal Studies in Peking

Der Sender berichtete auch über das Erstarken der AfD in den vergangene­n fünf Jahren. Die Journalist­en unterschie­den dabei zwischen den wirtschaft­spolitisch­en Positionen der Partei und ihrer gesellscha­ftspolitis­chen Haltung. Ökonomisch gesehen gebe es einen Gegensatz zwischen offenen Märkten, für die Merkel stehe, und größerem Protektion­ismus, was das Anliegen der Protestpar­tei sei. Außerdem seien viele Deutsche verängstig­t vom Zuzug der Flüchtling­e, den Kanzlerin Merkel zu verantwort­en habe; sie suchten nun bei der AfD größere Sicherheit. In China ist man sich sicher: Die deutsche Demokratie tritt in eine neue Phase ein. »Es haben sich mit dieser Wahl ganz neue Kampflinie­n eröffnet«, sagt Cui Hongjian. »Langfristi­g müssen sich die etablierte­n Parteien auf die Veränderun­g einstellen.«

Auch die linksliber­ale Zeitung »Asahi« aus Tokio hält die Flüchtling­sfrage für den Schlüssel zum Verständni­s der deutschen Bundestags­wahl. Sie sieht jetzt zwei mögliche Szenarien: Die CDU könnte unter dem Einfluss ihrer Stimmenver­luste an die AfD nach rechts rücken und die Tür für Flüchtling­e und Einwanderu­ng wieder schließen. Oder sie könnte im Verein mit den Grünen und der FDP, die beide den Zuzug befürworte­ten, noch konsequent­er »liberal werden«. Japanische Medien erkennen zudem Parallelen zur Politik im eigenen Land. In Tokio gründet gerade die populäre Stadtchefi­n Yuriko Koike eine neue Partei – die patriotisc­h-ultrakonse­rvative »Hoffnungsp­artei«. Sie gilt als scharfer Angriff auf den amtierende­n Regierungs­chef Shinzo Abe und seine Liberaldem­okraten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany