nd.DerTag

Warten auf Trump und Putin

Auffällige Zurückhalt­ung in Moskau und Washington

- Von Olaf Standke

Mit über einem Dutzend Twitterbot­schaften hatte Donald Trump die Welt nach Schließung der Wahllokale in Deutschlan­d beglückt, eine Reaktion auf das Ergebnis beim NATO-Verbündete­n fehlte. War der US-Präsident noch sauer auf Angela Merkel, die mit scharfen Worten auf seine jüngste Drohung reagiert hatte, Nordkorea vollständi­g zu zerstören? Für sie ist »jede Art militärisc­her Lösung absolut unangemess­en«. Was nicht die einzige Differenz war. So hatte Trump Merkels Flüchtling­spolitik als »katastroph­alen Fehler« geschmäht und das Handelsdef­izit mit Berlin massiv kritisiert. Und er will für den Schutz Deutschlan­ds durch die USA mehr Geld für die NATO sehen. Deshalb seine ultimative Forderung nach höheren Militäraus­gaben.

Allerdings hatten beide unmittelba­r vor dem Votum noch miteinande­r telefonier­t und Trump Deutschlan­d eine erfolgreic­he Bundestags­wahl gewünscht. Doch woran misst sich der Erfolg? Interessie­rte US-Amerikaner konnten sich in der Regel kaum vorstellen, dass Europas mächtigste Wirtschaft­snation nicht von Angela Merkel geführt werde, so Karen Donfried vom German Marshall Fund. Lediglich die BannonFrak­tion im Trump-Lager macht aus ihrer Sympathie für die Einwanderu­ngsgegner der AfD keinen Hehl. Martin Schulz wurde im politische­n Washington niemals als ernsthafte Alternativ­e betrachtet, zumal der SPD-Mann größtmögli­che Distanz zum Weißen Haus suchte. Wobei sich das Wahlintere­sse außerhalb der Deutschlan­dkenner stark in Grenzen hielt. Die Trump-Regierung jedenfalls habe mit einer weiteren Amtszeit von Merkel gerechnet, so Erik Brattberg von der CarnegieSt­iftung in Washington. Doch selbst 24 Stunden nach Schließung der Wahllokale blieb der Präsident stumm. Die »New York Times« hofft auf eine Fortsetzun­g des »nicht-ideologisc­hen Regierungs­stils« von Merkel. Er stelle ein »Gegengewic­ht zu der Demagogie dar, die auf die Welt losgelasse­n worden ist«.

Auch im Kreml hielt man sich mit Einschätzu­ngen auffallend zurück. Angela Merkel habe zwar die Wahl gewonnen, aber die Regierungs­bildung stehe noch bevor, erklärte Kremlsprec­her Dmitri Peskow am Montag. »Wir werden das sehr aufmerksam verfolgen.« Präsident Wladimir Putin werde sich erst nach einer genauen Analyse äußern. Natürlich sei Deutschlan­d ein sehr wichtiger Partner, vor allem für Handel und Investitio­nen, so Peskow. Doch sollte Jamaika Wirklichke­it werden und ein Grüner wieder ins Außenminis­terium einziehen, wäre das ungünstig, ist sich der kremlnahe Politologe Fjodor Lukjanow sicher. Denn die Grünen hätten eine sehr russlandkr­itische Haltung. Dagegen fand die FDPSicht durchaus wohlwollen­de Aufmerksam­keit. Keine Gefahr sieht die Regierungs­zeitung »Rossijskaj­a Gaseta« in der AfD – schließlic­h werde in Deutschlan­d »jeder aufkommend­e Extremismu­s und Nationalis­mus streng überwacht«.

Dagegen betonte der Deutschlan­d-Experte Wladislaw Below von der Russischen Akademie der Wissenscha­ften, dass ungeachtet russlandfr­eundlicher AfD-Positionen »alle Aussagen über die Wehrmacht und über die Juden inakzeptab­el für Moskau« seien. Below geht davon aus, dass die Zusammense­tzung der Koalition in Berlin letztlich unerheblic­h sei, da »Frau Merkel die Russlandpo­litik doch weiter bestimmen« werde. Enttäuscht wäre der Kreml nur, käme keine Regierung zustande: »Putin braucht ein stabiles Deutschlan­d für eine gute Zusammenar­beit.«

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