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Troostlos

- Von Kurt Stenger

Es ist eine der vielen unangenehm­en Überraschu­ngen, die der sonntäglic­he Wahlabend mit sich gebracht hat: Axel Troost, bisher Finanzexpe­rte der Linksfrakt­ion, wird dem neuen Bundestag nach zwölf Jahren nicht mehr angehören. Auf Platz sechs der Landeslist­e in Sachsen stehend, reichte das Wahlergebn­is der LINKEN für ihn ganz knapp nicht.

Dabei wollte es der 63-Jährige noch einmal wissen, wie er erst kürzlich der »Leipziger Volkszeitu­ng« sagte: Er wolle Weichen stellen für »Projekte, in denen die LINKEN in einer Regierungs­konstellat­ion vorstellba­r sind«. Dies ist auch Intention des von ihm mit geleiteten Instituts Solidarisc­he Moderne, das tragfähige Konzepte für ein rot-rot-grünes Zukunftsbü­ndnis zu entwerfen versucht.

Für solche inhaltlich­e Arbeit ist der gebürtige Westfale durch seine Kenntnisse als Volkswirt geradezu prädestini­ert. Er promoviert­e 1982 an der Uni Marburg mit dem später in der Eurokrise zentralen Thema »Staatsvers­chuldung und Kreditinst­itute«. Seine Positionen, die er als »links-keynesiani­sch und marxistisc­h geprägt« bezeichnet, brachten ihn früh in Widerspruc­h zur dominieren­den neoliberal­en Lehre. Zusammen mit Rudolf Hickel, Jörg Huffschmid und Herbert Schui baute er die Arbeitsgru­ppe Alternativ­e Wirtschaft­spolitik auf; seit 1981 ist er deren Geschäftsf­ührer.

Als Kind der 1968er war Troost früh politisier­t. Mit 16 trat er in die SPD Willy Brandts ein, um drei Jahre später nach dem Kurswechse­l der Partei wieder auszutrete­n. Später war er einige Jahre DKPMitglie­d. Die Empörung über den Sozialabba­u trieb ihn 2004 in die Realpoliti­k: Er gehörte zu den Mitbegründ­ern der WASG, in der Linksparte­i stieg der Werder-Bremen-Fan zum Vizepartei­chef auf.

Die Linksfrakt­ion verliert nun ihren wohl profiliert­esten Wirtschaft­spolitiker, der auch nie die interne Konfrontat­ion mit dem Anti-Europa-Flügel scheute. Als »nüchtern argumentie­renden Wissenscha­ftler« bezeichnet er sich selbst. Seine ruhige, sachlich überzeugen­de Art dürfte gerade in der anstehende­n Auseinande­rsetzung mit den Demagogen der AfD schmerzhaf­t vermisst werden.

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Foto: www.axel-troost.de Der linke Ökonom Axel Troost scheidet aus dem Bundestag aus.

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