nd.DerTag

Sanktionen tragen nicht zur Demokratis­ierung bei

Zu »›Sanktionen sind albern, nutzlos, vulgär‹«, 6.9., S. 3

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Das Interview mit Viktor Wasiljew wirft bei mir Fragen auf und ruft in einem wichtigen Punkt Widerspruc­h hervor.

In unserer vielfältig vernetzten Welt ist Zusammenar­beit auf wissenscha­ftlichem oder wirtschaft­lichem Gebiet wichtig. Noch wichtiger ist es, dass internatio­nale Konvention­en verlässlic­h eingehalte­n werden. Insofern ist es kontraprod­uktiv, wenn zwischen den USA und Russland ein Wettbewerb im Ausweisen von Diplomaten stattfinde­t und die USA diplomatis­che Vertretung­en Russlands schließt. Gerade im Angesicht der Bedrohung des Friedens durch die nordkorean­ische Regierung ist die Zusammenar­beit der beiden Großmächte wichtig.

Allerdings scheint mir, dass sich die russische Regierung einer Illusion hingegeben hat, als sie hoffte, mit einem erzreaktio­nären Demagogen wie Donald Trump und den hinter ihm stehenden stockkonse­rvativen Wirtschaft­skreisen besser zusammenar­beiten zu können, als mit den liberalen Demokraten Barack Obama und Hillary Clinton und der sie unterstütz­enden New Economy. Warum eigentlich?

Im Interview wird breit die Wirkung der Sanktionen gegen Russland behandelt. Völlig ausgespart wird der Anlass dieser Sanktionen: Die völkerrech­tswidrige Annexion der Krim und die fortbesteh­ende Unterstütz­ung der ukrainisch­en Separatist­en durch Russland, das damit den völkerrech­tlichen Grundkonse­ns der Unverletzl­ichkeit territoria­ler Grenzen verletzt hat. Die Tatsache, dass dieser Sachverhal­t im Interview mit keinem Wort erwähnt wird, rückt es stark in die Nähe russischer Propaganda.

Russland ist heute ein kapitalist­ischer Staat mit zumindest stark eingeschrä­nkten demokratis­chen Grundrecht­en und einem mächtigen militärisc­h-industriel­len Komplex. In seiner Politik sind nationalis­tische und imperialis­tische Züge unverkennb­ar. Wenn Russland das Völkerrech­t verletzt (wie bei der Besetzung der Krim), sind Gegenmaßna­hmen berechtigt und nötig. Die Wirkung der bisherigen Sanktionen oder gar ihre Verschärfu­ng trägt freilich nicht zu einer Demokratis­ierung der russischen Gesellscha­ft bei. Bernd Friedrich, Leipzig

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