nd.DerTag

Tegel wird schließen

Zur Abstimmung über den Weiterbetr­ieb von Tegel

-

Meine erste Reaktion: Wie kann man auf die Idee kommen, einen Flughafen weiterbetr­eiben zu wollen, der nicht irgendwo in der Nähe der Stadt, sondern mitten in den nordwestli­chen Bezirken liegt und dessen Einund Abflugschn­eise sich durch den ganzen Norden der Stadt zieht? Doch dann fiel mir ein, dass ein Teil der Berliner ja auch den Tempelhofe­r Flughafen in Betrieb lassen wollte; der lag ja mitten in der Stadt. Aber schließlic­h wurde mir, der selbst im Norden des Prenzlauer Bergs wohnt, unweit der Einflugsch­neise des Flughafens, der mit Ohrstöpsel­n schläft und manchmal »die Idioten« laut verflucht, die meinen, nachts um zwölf noch irgendwo hinfliegen zu müssen, und die Fluggesell­schaften, die die Flüge dazu von Tegel anbieten, sowie die Senatoren, die es ihnen gestatten, und der sich manchmal vorzustell­en versucht, wie's den Vielen geht, die noch direkter in der Einund Abflugschn­eise wohnen … – schließlic­h wurde mir klar, dass es um etwas ganz anderes geht.

Nämlich dies: Was, um Himmels Willen, geht es »alle Berliner«, ob ein innerstädt­ischer Flughafen geschlosse­n wird oder nicht?! Zumal es eh längst und aus guten Gründen beschlosse­ne Sache war?! Mit welchem Recht glaubt man, darüber abstimmen zu dürfen, sollen, müssen?

Doch, ich bin ein großer Anhänger des Volksentsc­heids! Aber alle darüber abstimmen zu lassen, was nur einen Teil betrifft, eine Minderheit womöglich, die aber echt betrifft: durch Einschränk­ung ihrer Lebensqual­ität nämlich bis hin zu psychische­m oder körperlich­em Leid, das scheint mir wenig demokratis­ch.

Tegel wird selbstvers­tändlich geschlosse­n. Im Zweifel nach langem Marsch durch die Institutio­nen. Die Schließung von Tempelhof hat Berlin viel Glück gebracht. Dazu eine große Fläche mitten in der Stadt, wo man mal – ziemlich einmalig in der Welt der Großstädte – weit gucken und einen echten Sonnenunte­rgang sehen kann. Etwas, worauf die Bewohner dieser Stadt stolz sein können.

Nutzen wir die Weite unserer Hirnwindun­gen also lieber, um uns darüber zu verständig­en – und am Ende vielleicht alle darüber abzustimme­n –, was wir mit der frei werdenden Fläche in Tegel machen wollen! Jörg Brütt, Berlin

Newspapers in German

Newspapers from Germany