»Im Moment fehlt mir der Optimismus«
Brauerei-Besitzer Gottfried Härle bangt, dass die bei ihm arbeitenden Geflüchteten abgeschoben werden
Die Grünen werden vermutlich in eine Koalition mit FDP und Union gehen. Was erwarten Sie sich als ökologisch orientierter Unternehmer von der künftigen Regierung?
Das Thema Klimaschutz muss jetzt bei den Koalitionsverhandlungen mit vorne auf die Agenda kommen. Die Große Koalition hat ihre Klimaziele verfehlt, die Energiewende ist ins Stocken geraten und auch im Bereich der Mobilität brauchen wir zukunftsträchtige Lösungen hin zu Elektromobilität und Emissionsfreiheit. Das sind wichtige Wirtschaftsthemen, bei denen eine deutliche grüne Handschrift erkennbar sein muss.
Sind Sie als Unternehmer auch froh, dass die FDP wohl wieder in der Regierung ist?
Ich teile viele Positionen der Liberalen nicht. Ich hoffe aber, dass die FDP hilft, die Bedingungen für kleinere und mittlere Unternehmen zu verbessern. Nachhaltiges Wirtschaften muss einfacher gemacht werden. Vor allem aber muss die Unternehmensbesteuerung gerechter geregelt werden. Da müssen Steueroasen ausgetrocknet und das Steuergefälle zwischen den EU-Ländern abgebaut werden, weil davon nur die großen Konzerne profitieren. Doch ob es realistisch ist, dass die FDP da mitmacht, ist eine andere Sache.
Und welche Rolle spielt für Sie das Flüchtlingsthema, das den Wahlkampf dominiert hat?
Das ist auch für Unternehmer eine sehr wichtige Frage. In unserem Betrieb sind mittlerweile zehn Prozent der Belegschaft Migranten. Die arbeiten schon seit vielen Monaten bei uns, sorgen eigenständig für ihren Lebensunterhalt und sind wichtig für die wirtschaftliche Leistung des Betriebs. Wenn die jetzt wieder verstärkt von Abschiebung bedroht sind, dann ist das auch für mich als Unternehmer ein Problem. Schließlich haben wir viel Kapital in diese Menschen investiert.
Ist die AfD für Sie also auch ein wirtschaftliches Problem?
Natürlich. Die AfD ist höchst reaktionär und will alles, was bereits an Integration erreicht worden ist, zunichte machen. Relativ viele Migranten sind nämlich mittlerweile schon in Ausbildung oder haben Jobs gefunden. Und die AfD gefährdet mit ihrem Auftreten diese Erfolge.
Schwingt da nicht auch die Angst mit, dass die Union wieder nach rechts driften wird?
Der Rechtskurs von Horst Seehofer in Bayern hat deutlich gezeigt, dass so etwas der Union eher schadet, als dass es ihr hilft. Die Verluste der CSU waren viel größer als die der CDU. Rechte wählen nämlich lieber das Original als die Kopie. Vor allem aber wäre so ein Rechtsschwenk mit den Grünen in der Regierung nicht machbar.
Ein anderes Thema, bei dem die Grünen vermutlich eine Sonderposition
in der Koalition mit CDU/CSU und FDP einnehmen werden, ist Freihandel.
Als freihandelskritisches Unternehmen haben wir uns sehr stark gegen das EU-Abkommen TTIP mit den USA positioniert, das jetzt erstmal auf Eis liegt und vermutlich in den nächsten zwei, drei Jahren keine große Rolle spielen wird. Nichtsdestotrotz wird es im Bereich Handelspolitik sehr große Hürden bei den Koalitionsverhandlungen geben, weil sich da die Positionen von CDU und FDP sehr stark von den Grünen unterscheiden.
Was erhoffen Sie sich da von den Grünen?
Als kleiner Unternehmer wünsche ich mir vor allem Handelsbedingungen, die offen und fair sind. Schiedsgerichte zum Beispiel, wie sie bei TTIP oder dem CETA-Abkommen der EU mit Kanada vorgesehen sind, benachteiligen kleinere Betriebe. Außerdem wünsche ich mir eine Handelspolitik, die hilft, Fluchtursachen zu bekämpfen.
Sollte es nicht nur beim Freihandel, sondern auch innerhalb der Gesellschaft fairer zugehen?
Ob sie jetzt immer berechtigt waren oder nicht – soziale Abstiegsängste haben in Teilen der Bevölkerung auch zum Wahlerfolg der AfD beigetragen. Doch soziale Fortschritte wird es in der Jamaika-Koalition vermutlich nicht geben. Da wird es schon ein Erfolg sein, wenn die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter geöffnet wird.
Für welche dieser sozialen Fortschritte, wie Sie es nennen, würden auch Sie als Unternehmer sich aussprechen?
Zunächst muss etwas bei den Mieten getan werden. Wohnraum muss erschwinglich bleiben. Außerdem könnte mit einer Reform der Erbschaftsteuer das Gefälle zwischen Arm und Reich verringert werden, wenn endlich große Vermögen herangezogen werden. Auch sollten Managergehälter nur bis zu einer bestimmten Höhe steuerlich abzugsfähig sein.
Mit der FDP wird dies sicherlich nicht zu machen sein. Kann man dann überhaupt zuversichtlich auf vier Jahre Jamaika blicken?
Im Moment fehlt mir der Optimismus. Denn mit der FDP und der CSU sind zwei Parteien mit im Spiel, die wahrlich nicht dazu Anlass bieten. Doch was wäre die Alternative zu Jamaika? Wenn die SPD beim Nein zur Großen Koalition bleibt, dann wären nur noch Neuwahlen möglich. Und dann würde die AfD noch mehr Stimmen bekommen.
»Ich teile viele Positionen der Liberalen nicht. Ich hoffe aber, dass die FDP hilft, die Bedingungen für kleinere und mittlere Unternehmen zu verbessern. Nachhaltiges Wirtschaften muss einfacher gemacht werden.«