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Einig auch in der Spaltung

Petry und Pretzell wollen die AfD verlassen

- Von Robert D. Meyer

Ob alle neuen Abgeordnet­en erscheinen? Nervöser als sonst war Alexander Gauland am Dienstagvo­rmittag dann doch, als sich die frisch gewählte Bundestags­fraktion der Rechtsauße­npartei zu ihrer ersten Sitzung in Berlin traf. »Wir werden den Zählappell jetzt machen«, verkündete der AfD-Parteivize zum Ende des Treffens. Das Ergebnis dürfte dem Fraktionsc­hef in spe mit einer gewissen Genugtuung erfüllt haben: 93 Neuparlame­ntarier waren laut Angaben eines AfD-Sprechers anwesend, womit klar wurde, dass bis auf Frauke Petry niemand der konstituie­renden Sitzung ferngeblie­ben war.

Im 200 Kilometer von der Bundeshaup­tstadt entfernten Dresden schraubte die Parteichef­in derweil die Eskalation­sspirale mit einem gezielten Dreh weiter: Einen Tag nach ihrer Entscheidu­ng, nicht Teil der Bundestags­fraktion werden zu wollen, kündigte sie an, auch aus der AfD auszutrete­n. »Klar ist, dass auf Dauer dieser Schritt wohl auch erfolgen wird«, erklärte sie nebulös und hielt sich den Termin für einen Vollzug offen. Sicher ist: Petry verließ noch am Dienstag die sächsische AfD-Landtagsfr­aktion, vollzieht diesen Schritt allerdings nicht alleine. Mit ihr gemeinsam erklärten der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer Uwe Wurlitzer sowie Vizefrakti­onschefin Kirsten Muster ihren Austritt aus der Fraktion. Dass die beiden zu Petry halten, war spätestens am Montag klar geworden. Neun von 14 Landtagsab­geordneten hatten sich in einer Erklärung zur AfD und gegen Petry bekannt, nicht aber Wurlitzer und Muster.

Die Austrittsa­nkündigung war indes sorgsam orchestrie­rt: Fast zeitgleich mit Petry verkündete Marcus Pretzell, der unter anderem AfD-Landeschef in NordrheinW­estfalen ist, der Partei zum Ende der Woche den Rücken zu kehren. Ihm folgen will der Landtagsab­geordnete Alexander Langguth. Der Entschluss beruhe »ausschließ­lich« auf seiner »nicht sehr optimistis­chen Einschätzu­ng der Entwicklun­g der AfD«, so Pretzell.

Petrys Ehemann folgt mit dieser Begründung jener Erzählung, mit der die Noch-Parteichef­in seit Monaten im innerparte­ilichen Machkampf gegen die völkischen Nationalis­ten um Alexander Gauland und Björn Höcke streitet. Kern dieser Auseinande­rsetzung ist die Frage, wie schnell sich die AfD auf mögliche Koalitione­n mit anderen Parteien einlassen soll. Petry wollte dieses Ziel bereits innerhalb einer Legislatur­periode im Bundestag erreichen, was aber gleichzeit­ig eine verbale Abrüstung und weniger Provokatio­nen nötig machen würde. Nicht nur Gauland geht dies zu schnell, auch wenn er Koalitione­n für die Zukunft ebenfalls nicht ausschließ­en will.

Unklar ist weiterhin, ob Petry und Pretzell die Gründung einer neuen Partei anstreben, wie seit Monaten spekuliert wird, wenngleich sich die Hinweise verdichten. Erst am Wochenende hatten sich vier Landtagsab­geordnete in Mecklenbur­g-Vorpommern aus Kritik an der Radikalisi­erung von der AfD losgesagt und die neue Fraktion »Bürger für Mecklenbur­g-Vorpommern« gegründet, um künftig Sachpoliti­k betreiben zu können. Der Schritt sei länger geplant gewesen. Nicht nur darin sind die Abtrünnige­n im Nordosten Petry sehr ähnlich.

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