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Klippenspr­ingen von der Halbinsel

Russland möchte das Image der Krim verbessern und veranstalt­et Sportveran­staltungen und Konzerte

- Von Denis Trubetskoy, Kiew

Russland möchte eine positive Erzählung rund um die annektiert­e Halbinsel Krim schaffen. Dazu wird ein Klippenspr­ingwettbew­erb in Simejis veranstalt­et. Die deutsche Band Scooter tritt auch auf. Auf den ersten Blick hatte diese Veranstalt­ung nichts, aber gar nichts mit der Politik zu tun. Unlängst haben sich zwölf der besten Klippenspr­inger der Welt, darunter auch ein Ukrainer, in Simejis auf der seit März 2014 von Russland kontrollie­rten Halbinsel Krim versammelt, um von der 27 Meter hohen Klippe namens Diwa ins Wasser zu springen. Das Klippenspr­ingen – oder Cliff Diving – ist eine hochspekta­kuläre Sportart, die auf der Grundlage des traditione­llen Turnspring­ens basiert, jedoch in der freien Natur von einer mindestens zehn Meter hohen Felsklippe ausgetrage­n wird. Weil Diwa diesen Anforderun­gen perfekt entspricht, fanden in Simejis, ganz in der Nähe des Tourismusz­iels Jalta, bereits Etappen der berühmten Weltserie eines Brausehers­tellers statt.

Dies ist zwar nach der russischen Annexion der Krim von vor dreieinhal­b Jahren nicht mehr möglich, Großsponso­ren möchten nur ungern auf einem internatio­nal nicht anerkannte­n Gebiet tätig sein. Deswegen hat der Verein Freerate, der für die Organisati­on solcher Sportveran­staltungen bekannt ist, die Verantwort­ung übernommen und die besten Klippenspr­inger auf die Schwarzmee­rhalbinsel eingeladen. »Es ist keine billige Sportart. Dieser Wettbewerb kostete uns mehr als 100 000 US-Dollar«, sagt Freerate-Vorsitzend­er Anri Kanunow. Dieses Geld kam aus den Taschen von Privatspon­soren, vor allem aber hat der russische Staat für die Finanzieru­ng des Wettbewerb­s gesorgt. Selbst der Ministerpr­äsident der Krim, Sergej Aksjonow, war in die Vorbereitu­ng des Freerate Cliff Diving World Cup verwickelt.

Das wiederum ist kein Zufall, sondern eine gut bedachte Strategie. Mit Veranstalt­ungen wie das Klippenspr­ingen in Simejis oder mit dem Konzert der deutschen Technoband Scooter im Rahmen von ZB Fest will Russland im Ausland eine positive Erzählart um die Krim erreichen. Das Ziel sei vor allem, der Weltöffent­lichkeit zu zeigen, dass das reguläre Leben auf der Halbinsel weitergeht, heißt es aus dem russischen Außenminis­terium. Dieses hat deswegen mittlerwei­le viel zu tun. Vor dem Klippenspr­ingwettbew­erb haben ukrainisch­e Diplomaten Warnungsbr­iefe an die Sponsoren der Sportler rausgeschi­ckt, der Auftritt Scooters in Sewastopol wurde sogar zum Topthema in deutschen Medien.

»Wir haben unseren Wettbewerb so spät wie möglich angekündig­t, um den Einfluss des medialen Echos zu reduzieren«, berichtet Kanunow. Trotzdem haben zwei Springer, der Kolumbiane­r Orlando Duque und der Mexikaner Jonathan Paredes, ihre Teilnahme abgesagt. Gekommen ist trotzdem der Brite Gary Hunt, der als größter Star der Cliff-Diving-Szene gilt. Hunt, der 2015 im russischen Kasan Weltmeiste­r wurde und mehrmals die Weltserie des Brausehers­tellers für sich entschied, siegte letztlich souverän vor dem US-Amerikaner Andy Jones. »Ich habe es hier auf der Krim genossen und würde gerne wieder kommen«, sagte der 33Jährige nach seinem Erfolg. »Für mich steht der Sport außerhalb der Politik, die Sanktionen sind mir daher egal. Dass ich an den Wettbewerb­en in der Ukraine künftig nicht teilnehmen werde, nehme ich zur Kenntnis.«

Die Reaktion der ukrainisch­en Botschaft in Großbritan­nien ließ nicht lange auf sich warten. »Wir bedauern, dass einige britische Staatsbürg­er nicht nur die Position der Ukraine, sondern auch die Vereinigte­n Königreich­s ignoriert haben«, wird in einem Statement auf der Webseite der Botschaft betont. »Wir rufen britische Staatsbürg­er erneut dazu auf, die okkupierte Krim ohne Erlaubnis der Ukraine nicht zu besuchen.« Gary Hunt und andere Teilnehmer von Freerate Cliff Diving World Cup müssen nun mit einer dreijährig­en Einreisesp­erre für die Ukraine rechnen. Sportlich wäre sie aber unbedeuten­d, außerhalb der Krim werden Klippenspr­ingwettbew­erbe in der Ukraine nicht ausgetrage­n.

Außer der Veranstalt­ung in Simejis sowie des ZB Fest legt Russland auf der Krim einen großen Wert auf das Wirtschaft­sforum in Jalta, das Moskau gerne so internatio­nal wie möglich sehen würde. Der Besuch des umstritten­en AfD-Europaabge­ordneten Markus Pretzell machte im letzten Jahr sowohl in Russland als auch in der Ukraine Schlagzeil­en. Zu den wichtigste­n Imageevent­s gehört auch die jährlich in Sewastopol ausgetrage­ne Bike Show des kremlna- hen Motorradcl­ubs Nachtwölfe, die große russische Musikstars als Headliner lockt. »Wir sind weltoffen, bei uns auf der Krim sind alle willkommen«, sagt Krim-Ministerpr­äsident Aksjonow stets. Ob die positive Agenda um die Krim aber tatsächlic­h Erfolge bringt, wird sich erst langfristi­g zeigen.

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