nd.DerTag

Solidaritä­t auf Anweisung

Stefan Otto setzt auf Anreize für die Aufnahme von Kontingent­flüchtling­en

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Das große Thema Flucht stellt die EU weiterhin vor eine Zerreißpro­be. 2015 entschloss sich die Union dazu, Italien und Griechenla­nd, bei denen die meisten Geflüchtet­en ankommen, zu unterstütz­en. Andere Mitgliedss­taaten sollten ihnen Kontingent­e abnehmen. Nun läuft die Frist für eines der Programme aus – und die Bilanz ist miserabel. Lediglich 29 000 Menschen durften bislang in ein anderes EU-Land weiterreis­en, angepeilt waren 98 000. Viele Länder haben ihr Kontingent bislang nicht erfüllt, auch Deutschlan­d nicht. Ungarn und die Slowakei klagten dagegen vor dem EuGH – und verloren. Kommen sie der Weisung weiterhin nicht nach, droht ihnen ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren. Das ist die juristisch­e Waffe der Staatengem­einschaft. Doch ein solches Verfahren wird letztlich wenig dazu beitragen, die Ressentime­nts gegenüber der EU abzubauen.

Anstatt zu bestrafen, sollte die EU jene Mitgliedss­taaten, die sich bereit erklären, Kontingent­flüchtling­e aufzunehme­n, belohnen und finanziell unterstütz­en. Solidarisc­hes Handeln lässt sich nicht erzwingen; es können aber Anreize dafür geschaffen werden. Zu spät ist es für ein Umdenken keineswegs. Die Zustände vor allem in griechisch­en Flüchtling­slagern sind nach wie vor miserabel – »menschenun­würdig und entwürdige­nd«, wie eine Delegation des Europarats jüngst bei einem Besuch dort festgestel­lt hat.

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