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Der Bildungsmi­nister tritt zurück

Nachfolger­in von Günter Baaske (SPD) soll Britta Ernst werden – die Frau von Olaf Scholz

- Von Andreas Fritsche und Wilfried Neiße

Günter Baaske begründet seinen Rückzug als Bildungsmi­nister mit privaten Angelegenh­eiten. Es drängt sich jedoch der Verdacht auf, er sei in seiner neuen Funktion nicht glücklich gewesen. Als Günter Baaske 2002 brandenbur­gischer Sozialmini­ster wurde, da erklärte er, sein Name schreibe sich ohne H, aber mit zwei A. Das werde häufig falsch gemacht. Inzwischen kennt die Presse die richtige Schreibwei­se. In der aktuellen rot-roten Landesregi­erung gab es niemanden, der schon so früh dabei gewesen ist wie er.

Nun hat der SPD-Politiker am Dienstag aus persönlich­en Gründen seinen Rücktritt als Bildungsmi­nister erklärt. Den unbequemen Posten hatte er nach der Landtagswa­hl 2014 übernehmen müssen, als das von ihm so geliebte Sozialress­ort bei der Regierungs­bildung an die LINKE fiel. Sozialmini­ster ist Baaske gern gewesen. Er hat sich als Erbe der populären, 2001 verstorben­en Sozialmini­sterin Regine Hildebrand­t (SPD) präsentier­t und in dieser Rolle sehr wohlgefühl­t. Doch Bildungsmi­nister, das war offensicht­lich nicht sein Ding, obwohl er von Beruf Lehrer ist und früher Mathematik und Physik an einer Gehörlosen­schule unterricht­ete.

Als Baaske zu Beginn des neuen Schuljahre­s vom »nd« gefragt wurde, ob er amtsmüde sei, wies er dies noch zurück und wollte wissen: »Wirke ich so?« Ja, so wirkte er. Geradezu unglücklic­h in seiner Funktion, genervt von der Panne beim Mathe-Abitur. Die Prüflinge hatten Aufgaben erhalten, die eine erhebliche Zahl von ihnen nicht lösen konnte, weil das an ihren Schulen nicht im Unterricht behandelt wurde, obwohl es im Lehrplan stand. Drei erwachsene Kinder aus verschiede­nen Ehen hat der 59-Jährige und dazu ein fünf Jahre altes Töchterche­n. Um die Familie möchte er sich nun mehr kümmern, außerdem um seinen Wahlkreis. Landtagsab­geordneter bleibt er. Minister habe er eigentlich nur einige Zeit sein wollen, erzählt er. Zwei Jahre vor der Landtagswa­hl 2019 sei der richtige Zeitpunkt für einen Wechsel. Das es zwei Tage nach der Bundestags­wahl geschah und nicht etwa zwei Tage davor, ist sicher kein Zufall.

Spät noch einmal Vater zu werden, kann belastend sein. Doch als die damals erst zehn Monate alte Tochter 2012 wegen einer leichten Erkältung nicht in die Kita konnte, da nahm der Papa sie mit ins Ministeriu­m und erledigte seine Arbeit mit dem Kleinkind auf dem Schoß. Er wirkte trotz allem frisch und wach. Aber da war er auch noch Sozialmini­ster. Anfangs hatte Baaske als Minister ein biss- chen was von einem Sonnyboy. Der Eindruck ließ mit den Jahren zwar nach, hat sich aber nie ganz verflüchti­gt. Ihm haftet nicht der sprichwört­liche sozialdemo­kratische Stallgeruc­h an, obwohl er die Partei 1989 in seinem Heimatkrei­s mitgegründ­et hat und Sozialbeig­eordneter in Potsdam-Mittelmark war, bevor er nach Potsdam ging. Er duftet nach Kreativitä­t. Von 1989 bis 1993 wirkte er nebenberuf­lich als Manager der gerade damals sehr bekannten Band »Keimzeit«. Im Bad Belziger Ortsteil Lütte, wo die Musiker herkommen, da wohnt er.

Baaske ist genauso wie der frühere Ministerpr­äsident Matthias Platzeck und wie der aktuelle Ministerpr­äsident Dietmar Woidke ein SPD-Politiker, der in persönlich­en Begegnunge­n beim Volk sehr gut ankommt und insofern für die Partei von großem Wert ist. Als Müllmann, Erzieher oder Altenpfleg­er im Sommerprak­tikum behielt er Tuchfühlun­g zu Sorgen und Nöten der Bevölkerun­g, inszeniert­e dies allerdings auch geschickt. Sein soziales Engagement wirkte dennoch absolut glaubwürdi­g, obwohl er nicht als Gegner von Hartz IV in Erscheinun­g getreten ist und obwohl die Arbeitslos­enzahlen, die er ursprüngli­ch halbieren wollte, nach seinem Amtsantrit­t zunächst einmal noch gestiegen waren. 2003 erreichte die Erwerbslos­enquote den höchsten Wert. Ehrlicherw­eise muss gesagt werden: Das lag nicht in seiner Macht.

Nachfolger­in Baaskes soll Britta Ernst (SPD) werden. Die 56-jährige Ehefrau des Hamburger Bürgermeis­ters Olaf Scholz (SPD) war bis Sommer Bildungsmi­nisterin in SchleswigH­olstein. Dann wurde Rot-Grün dort abgewählt und durch eine JamaikaKoa­lition aus CDU, Grünen und FDP ersetzt. Dass die SPD unmittelba­r nach einem Rücktritt sofort ein neues Gesicht präsentier­t, ist ein bewährtes Verfahren. Amtswechse­l werden vorbereite­t. Für Spekulatio­nen bleiben allenfalls ein paar Minuten.

Britta Ernst besuchte am Dienstag gleich die Sitzung der Linksfrakt­ion. Dort war man von ihr sehr angetan und angenehm überrascht, schilderte der Fraktionsv­orsitzende Ralf Christoffe­rs. Sie habe in SchleswigH­olstein ähnliche Schwerpunk­te gesetzt wie die Bildungspo­litiker in Brandenbur­g. Ernst habe erklärt, nicht mit einem Zehn-Punkte-Plan gekommen zu sein, sondern sich von den Gegebenhei­ten in Brandenbur­g zunächst ein Bild machen zu wollen. Man freue sich auf eine »Sichtweise von außen«.

Derweil gelingt die richtige Schreibwei­se von Günter Baaske auch heute noch nicht jedem. In einer Pressemitt­eilung kritisiert­en die Jungen Liberalen den Zeitpunkt des Rücktritts von »Günther« Baaske. »Die Berichters­tattung zur Bundestags­wahl soll diesen zweifelhaf­ten Wechsel übertönen«, vermutete ihr Landesvors­itzender Matti Karstedt. Ein Personal- und Politikwec­hsel sei im Bildungsre­ssort nach dem »Versagen und Kaputtspar­en« der letzten Jahre tatsächlic­h nötig. Die SPD taktiere aber nur.

Dagegen äußerte die Landtagsab­geordnete Kathrin Dannenberg (LINKE) in der korrekten Schreibwei­se, »Günter Baaske hatte sich in seinem Ressort gut eingearbei­tet und war uns ein kompetente­r sowie zuverlässi­ger Partner. Gemeinsam haben wir in den letzten drei Jahren viel geschafft. Stichworte: viele zusätzlich­e Lehrerstel­len und die Verbesseru­ng der Kitabeding­ungen.« Anders als von Dannenberg dargestell­t, machte Baaske zumindest nach außen hin aber nicht den Eindruck, dass er der Idee der Gemeinscha­ftsschule aufgeschlo­ssen gegenübers­tehe.

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Foto: dpa/Bernd Settnik Bildungsmi­nister Baaske erklärt am Dienstag seinen Rücktritt.
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Foto: dpa/Daniel Reinhardt Die künftige Ministerin Britta Ernst tanzt mit Olaf Scholz.

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