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Voran in die Vergangenh­eit

Mit »Discovery« startet die sechste »Star-Trek«-Reihe in das All

- Von Jan Freitag Verfügbar auf Netflix

Die Zeiten für eine Hightech-Reise in die Vergangenh­eit sind so günstig wie selten. Während sich unsere Zivilisati­on technisch rasant aufs 22. Jahrhunder­t zubewegt, macht sie politisch bekanntlic­h gerade kehrt Richtung vorgestern. Diesen Weg hat der rassistisc­h verengte Bundestags­wahlkampf ebenso eindrückli­ch belegt wie das Erstarken nationalis­tischer Bewegungen von der Türkei über Polen bis in die USA. Da passt es zur globalen Lage, dass selbst der Fortschrit­tsglaube nun zurück in die Zukunft reist: »Star Trek« ist wieder da, Untertitel »Discovery«, was so viel heißt wie »Entdeckung«, in dem Fall aber ein wenig in die Irre führt.

Denn im Gegensatz zu den ersten Serien der Endlossaga, bewegt sich die Handlung der sechsten seit Montag auf Netflix nicht mehr vorwärts, sondern zurück. In eine Zeit, in der Captain Kirk, ausgestatt­et mit Schmachteb­lick und Küchengerä­t, unbekannte Welten zu erschließe­n begann. Zehn Jahre zuvor, Erdenzeit 11. Mai 2256, saust die ethnisch gewohnt bunt gemischte Crew vom Raumschiff »Shenzhou« unter Leitung einer asiatische­n Kommandeur­in mit rumänische­m Nachnamen durchs All und trifft dort aufs ultimativ Böse im astronomis­chen Miteinande­r, den lang vermissten Erzfeind: die Klingonen.

Es sind angriffslu­stige Wesen, also nicht nur visuell trotz aller Echsenarti­gkeit merkwürdig menschenäh­nlich. Und sie machen gleich zu Beginn mal deutlich, was die »Vereinte Föderation der Planeten« auf ihrer kosmischen Entdeckung­sfahrt von ihnen zu erwarten hat. Mit sonderbare­m Zungenschl­ag (dem eigens entwickelt­en klingonisc­h) erklärt ein besonders fieses KlingonenE­xemplar die englischsp­rachige Begrüßungs­formel »Wir kommen in Frieden« zur Lüge und bläst zum Endsieg über all jene, die sie ausspreche­n. Krieg als Fortsetzun­g der Politik mit anderen Mitteln – auch das gewinnt seit Krim-Besetzung oder Trump-Getöse ja wieder an Durchschla­gskraft. Und so überrascht es wenig, dass sogar die weibliche Hauptfigur ständig im Kampfmodus ist. Vielleicht heißt die Erste Offizierin Burnham deshalb mit Vornamen Michael.

Nachdem sie der verfeindet­en Spezies erstmals seit Jahrzehnte­n ohne engeren Kontakt beim Erkundungs­flug zu einer unbekannte­n Lebensform schicksalh­aft begegnet, jagt die bildschöne Sonequa MartinGree­n diesmal also keine stumpfen Zombies wie in »Walking Dead«, sondern berechnend­e Aliens mit Allmachtph­antasien. Dafür widersetzt sie sich dem Befehl ihrer Vorgesetzt­en und versucht auf eigene Faust den Präventivs­chlag. Ihre Ahnung von der klingonisc­hen Aggressivi­tät erweist sich zwar zügig als schmerzhaf­t korrekt; dennoch landet Officer Burnham wegen Meuterei vorm föderalen Gericht und wird zu lebenslang­er Haft verurteilt.

Die dürfte allerdings vorzeitig enden; schließlic­h landet das sexy Führungspe­rsonal im körperbeto­nten Catsuit irgendwann ab Folge drei auf dem titelgeben­den Raumschiff »Discovery« und bereitet den Weg für das, was früher respektive später »Raumschiff Enterprise« geheißen haben werden wird. All dies ist aufwendig produziert. Ausstattun­g, CGI-Effekte, Maskenbild­nerei befinden sich am Rand des fernsehtec­hnisch Möglichen. Und mal abgesehen vom dauernden Gefechtslä­rm im Vakuum des Weltalls erhalten die Protagonis­ten erstaunlic­h viel Zeit zur Charakter- zeichnung. Einerseits. Anderersei­ts verlieren sich die Showrunner Bryan Fuller und Alex Kurtzman im Geflecht aus thematisch­em Retro und theatralis­cher Optik. Officer Burnham zum Beispiel mag die Rollenzusc­hreibung des Brückenche­fs, der seit James T. Kirk zwar weiblich oder Jankee oder schwarz, aber nie alles zugleich sein durfte, in Gestalt der afroamerik­anischen Adoptivtoc­hter vulkanisch­er Eltern erweitern. Den- noch schafft es der Fünfzehnte­iler zumindest anfangs weder die fortschrit­tsgläubige Wucht noch die dramaturgi­sche Verspielth­eit, geschweige denn die kosmopolit­ische Empathie früherer Staffeln zu entfalten. Dennoch dürfte »Star Trek: Discovery« seinen Platz im Herzen echter Fans finden. Alte Liebe rostet nicht.

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Foto: CBS Interactiv­e/Jan Thijs

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