nd.DerTag

Krabben nur für Reiche

Ein schlechter Fang ist für Fischer eine gute Nachricht, seit sie sich zusammensc­hlossen

- Von Hermannus Pfeiffer

Auch die soziale Spaltung der Gesellscha­ft treibt den Preis für Nordseegar­nelen derzeit weit nach oben. Erstmals haben aber auch die Erzeuger etwas von den gestiegene­n Preisen. An den Hamburger Landungsbr­ücken kostet ein Krabbenbrö­tchen derzeit sagenhafte 11,50 Euro. Wer Krabben »satt« mag, muss in manchem Fischgesch­äft für 100 Gramm immerhin 7,99 Euro hinblätter­n. Etwas günstiger wird es für Kunden an der Küste. Nun mögen linke Feinschmec­ker einen solchen Preis für eine solche Delikatess­e durchaus für angemessen halten. Schließlic­h müssen für ein Kilo Krabbenfle­isch drei Kilo Krabben gefangen, gebrüht, verarbeite­t und über fünftausen­d Kilometer transporti­ert werden. Die meisten Krabben werden weiterhin in Marokko von Frauen per Hand »ge- pult«. So wird das Schälen der Nordseegar­nelen genannt. Möglich wird dies alles durch eine eingefahre­ne Logistikke­tte zweier Großhändle­r aus Holland, Heiploeg und Klaas Puul. Deren Marktantei­l an der Küste zwischen Belgien und Dänemark liegt bei über 80 Prozent.

Angesichts der eingespiel­ten Kühlund Konservier­ungskette der Konzerne sind kleine Fischhändl­er, die hierzuland­e Maschinen zum Pulen einsetzen, beim Preis chancenlos. Ihre Kosten sind 20 Prozent höher. Mit Niedrigloh­narbeitern aus Osteuropa hat die Branche schlechte Erfahrunge­n gemacht: »Nach einem Tag haben sie es mit dem Rücken«, erzählt ein Fischer. »Die Kälte im Kühlraum.«

Zur derzeitige­n Entwicklun­g hat auch die Europäisch­e Kommission ihren Teil beigetrage­n. Ihre Auflagen sorgen dafür, dass die Verarbeitu­ng von Krabben nur noch von wenigen Feinkost-Fischhändl­ern betrieben wird. Wurden früher die frischen Fänge von den Fischerfra­uen in Heimarbeit gepult, schreibt die EU heute aus hygienisch­en Gründen kostspieli­ge Reinräume vor.

All diese Bedingunge­n erklären aber noch nicht die aktuellen Wahnsinnsp­reise. Zu denen trugen die Na- tur und der Wittling bei. Die Population des Raubfische­s ist gerade mal wieder besonders üppig – und er frisst die jungen Garnelen, bevor sie Fanggröße erreichen. Die Fänge sanken seit dem Frühjahr 2016 um mehr als die Hälfte, berichtet der Fischereib­iologe Philipp Oberdörffe­r.

Nicht zum Schaden der Fischer: Durch das knappe Angebot stiegen ihre Preise so hoch, »wie wir sie noch nicht hatten«. Die geringen Fangmengen würden durch die teuren Preise »ausgeglich­en«. Mehr als ausgeglich­en, wie die Marktberic­hte der Bundesanst­alt für Landwirtsc­haft und Ernährung (BLE) in Bonn zeigen. Bis zu 15 Euro erhielten Fischer zeitweilig für ein Kilo – als auskömmlic­h gelten drei Euro. Aktuell erhalten sie etwa fünf Euro.

Seit der letzten Krabbenkri­se vor fünf Jahren haben sich zwei grundlegen­de Dinge verändert. Eine Fischerfam­ilie aus den Niederland­en hat den holländisc­hen Marktführe­r Heiploeg von einem Investor in Singapur gekauft. Was die Zusammenar­beit mit den deutschen Erzeugern sehr verbessert haben soll. Schummelei­en und Preisdumpi­ng, so ist im Fischereiv­erband zu hören, gebe es nun kaum noch.

Entscheide­nd ist aber, dass die Einzelkämp­fer sich in der Krise zu einer Art Genossensc­haft zusammensc­hlossen. 2012 gründeten Hundert Krabbenfis­cher aus Niedersach­sen und Schleswig-Holstein die »Erzeugerge­meinschaft der Deutschen Krabbenfis­cher« in Cuxhaven. Dadurch wurde ihre Verhandlun­gsposition nachhaltig gestärkt, sagt der Geschäftsf­ührer der Erzeugerge­meinschaft Oberdörffe­r. »Der Fischer macht sein Geschäft nicht über die Menge, sondern über den Preis.«

Allerdings half den Erzeugern, dass die Fangmengen schon seit anderthalb Jahren niedrig ausfallen. Ob es für die Fischer gut geht, wenn wieder mehr Krabben gefangen werden? Ralf Döring, Ökonom am Thünen-Institut für Seefischer­ei in Hamburg, bleibt skeptisch. »Die Preise werden auf Dauer nicht so hoch bleiben.« Ob die Erzeugerge­meinschaft bei steigenden Fängen noch stark genug sein werde, um dem Oligopol aus Holland Paroli zu bieten, sei eine spannend Frage.

Die Fänge nehmen wieder zu – langsam sinken die Preise. An den Landungsbr­ücken, einem beliebten Touristenz­iel, dürfte es dennoch noch eine Weile dauern, bis der Preis für das Krabbenbrö­tchen spürbar sinkt. »Es gibt immer mehr Leute, die sich auch Mondpreise leisten können«, hat ein Einzelhänd­ler in einem teuren Hamburger Stadtteil beobachtet. Nicht allein bei Krabben.

Angesichts der eingespiel­ten Kühl- und Konservier­ungskette der Konzerne sind kleine Fischhändl­er beim Preis chancenlos.

 ?? Foto: Fotolia/brodtcast ?? Krabbenbrö­tchen sind ein teures Vergnügen
Foto: Fotolia/brodtcast Krabbenbrö­tchen sind ein teures Vergnügen

Newspapers in German

Newspapers from Germany