Von Exbesetzern enttäuscht
Nach zwei Jahren Barcelona en Comú gibt es in der Stadt immer noch Zwangsräumungen
Seit 2015 gibt es in Barcelona eine linke Stadtregierung. Bezahlbarer Wohnraum war eines ihrer zentralen Wahlversprechen. Nun wächst die Enttäuschung bei Mieter_innen wie bei Aktivist_innen. »Zwangsräumungen gibt es hier immer noch täglich, daran hat sich nichts geändert, nur weil Barcelona en Comú jetzt am Drücker ist«, sagt Monica Garcia. Fragt man Aktivist_innen die sich in den Vierteln Barcelonas für bezahlbaren Wohnraum einsetzen danach, welche Veränderungen mehr als zwei Jahre linke Stadtregierung mit sich gebracht haben, bekommt man vor allem enttäuschte und wütende Antworten. Besonders frustriert sind Mieter_innen in Sants, einem Arbeiterviertel in der Millionenmetropole, das zuletzt verstärkt von Zwangsräumungen betroffen war.
Seit Mai 2015 ist die offene linke Wahlliste Barcelona en Comú (BeC) stärkste Kraft im Stadtparlament der Mittelmeer-Metropole. Gemeinsam mit anderen linken Parteien regiert BeC seitdem und stellt mit der ehemaligen Wohnrechtsaktivistin Ada Colau auch die Bürgermeisterin. Seit Beginn der Krise 2008 ist die Frage von bezahlbarem Wohnraum und nicht mehr bedienbaren Hypotheken eines der drängendsten sozialen Probleme. Dementsprechend entwickelte sich die Bewegung gegen Zwangsräumungen von überschuldeten Wohnungseigentümer_innen (PAH) zur stärksten sozialen Bewegung des Landes. Vor ihrer Amtszeit hatte sie sich Colau genau in dieser PAH engagiert. Und sie ist nicht das einzige prominente Mitglied, das mittlerweile Teil der Stadtregierung ist. Hat sich also bei der Versorgung mit Wohnraum wirklich nichts zum Besseren gewendet?
Ein Blick auf die Zahlen sorgt zunächst für Ernüchterung. Im Durchschnitt 34 Zwangsräumungen wurden im vergangenen Jahr täglich in der Stadt am Mittelmeer vollzogen. Trotz Bemühungen der neuen Regierung landen auch weiterhin viele der Betroffenen auf der Straße. Der ehemalige Bürgermeister von Sants, Jaume Asens (BeC) bezeichnete Zwangsräumungen deshalb kürzlich auch als Gewaltakte, die Grundrechte in Frage stellen. Dass die Lage so angespannt ist, liegt nicht zuletzt an den zahlreichen Touristinnen und Touristen. Mehr als sieben Millionen Menschen besuchen die Fünf-Millionen-Metropole jährlich. Auch dank Vermietungsplattformen wie Air BnB ist Wohnraum bereits seit Jahren ein knappes und teures Gut.
Fragt man Vanesa Valiño, was sich in den letzten beiden Jahren verän- dert habe, zieht sie dennoch eine überwiegend positive Bilanz. Valiño, Büroleiterin beim Stadtrat für Wohnen und damit führende Politikerin bei BeC zum Thema, findet, dass sich bereits vieles zum Besseren gewendet habe. So sei eine Vermittlungsstelle für Notunterkünfte bei Zwangsräumungen eingerichtet worden und die Investitionen in den
sozialen Wohnungsbau hätten sich in den letzten zwei Jahren vervierfacht. »Natürlich gibt es immer noch drastische Probleme und ruhig schlafen kann ich nachts immer noch nicht, aber es gab einen Paradigmenwechsel, die Lösung der Wohnungsfrage steht jetzt im Zentrum«, so die ehemalige Aktivistin Valiño.
Llum Oliver Alonso von »Habitatge Sants«, einer aus der PAH hervorgegangenen Nachbarschaftsorganisation im traditionell links geprägten Bezirk hat da deutliche Zweifel: »Klar haben sie nicht die Möglichkeiten zu sagen, in dieser Stadt sind Zwangsräumungen verboten, trotzdem tut sich auch im Kleinen viel zu wenig.« Erst im August kam es zu zwei Zwangsräumungen, bei denen zahlreiche Familien auf die Straße gesetzt worden sind. Die Aktivistinnen beklagen mangelndes Handeln: »Wir mussten mit dem Rathaus um jede einzelne Notunterkunft für die Familien mit ihren Kindern ringen – es war ein Desaster«, so Alonso.
Die Politikerin will das nicht unkommentiert lassen: »Ich finde angesichts der Komplexität der Situation, ist das ein ungerechtfertigter Vorwurf.« Nur, weil man nun an der Regierung sei, könne man nicht über Nacht alles verändern. »Es gab in Spanien seit hundert Jahren keine wirkliche Wohnungspolitik, wir würde lügen, würden wir ernsthaft behaupten, wir könnten all das in zwei Jahren nachholen«, so die studierte Politikwissenschaftlerin, sie fügt hinzu: »Was wir brauchen ist mehr Zeit.«
Und so scheint es, als sei Barcelona auch nach zwei Jahren linker Regierung noch viel zu tun. Monica Garcia von »Habitatge Sants« ist jedenfalls zuversichtlich: »Sicher gibt es auch mangelnden Willen zu handeln, aber vor allem mangelt es an Druck aus der Bevölkerung – und daran werden wir arbeiten!«
»Wir mussten mit dem Rathaus um jede einzelne Notunterkunft für die Familien mit ihren Kindern ringen – es war ein Desaster.« L. Alonso, »Habitatge Sants«