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Spitzenfuß­ball in der Kneipe

Ein Besuch bei PSG-Fans, die sich Tickets für den Prinzenpar­k nicht mehr leisten können

- Von Christoph Ruf, Paris

Das Geschäftsm­odell von Paris St. Germain ist in Frankreich hoch umstritten. Die treuesten Fans können sich derweil die Tickets nicht mehr leisten. Ein Abend in der Fankneipe »Chez Kiki«.

Es ist noch eine halbe Stunde bis zum Anpfiff, doch Nadja ist wütend. »Wer von euch Idioten hat einen Schal auf meinen Platz gelegt? Hier sitze ich.« Der Schuldige ist schnell ausgemacht und die 50-jährige Grundschul­lehrerin kommt ins Erzählen: »Wenn PSG spielt, bin ich immer hier. Ob es regnet oder schneit, ich habe seit Jahren kein Spiel verpasst.« Nadja und die gut 80 anderen PSG-Maniacs, die heute Abend den Heimsieg von Paris St. Germain gegen Olympique Lyon feiern, sind allerdings nicht im Stadion, sondern in der Fankneipe »Bistrot des famillles«, das hier jeder nach dem Wirt »Chez Kiki« nennt.

Das Lokal liegt im 11. Arrondisse­ment, 24 Metrostati­onen sind es von hier bis zum Prinzenpar­k. Die Karten für dieses Stadion könne sich Nadja einfach nicht mehr leisten, sagt sie. 190 Euro hätte die billigste fürs Heimspiel gegen Celtic Glasgow in der Champions League gekostet. Das sei auch nicht viel mehr als die wenigen verfügbare­n Tickets für Spiele der französisc­hen Ligue 1, wie ein bärtiger Mitt-Zwanziger im T-Shirt des Ultrakolle­ktivs ergänzt. »Ich sage es nur ungern, aber bei unseren Erz- feinden aus Marseille kostet eine Dauerkarte für 19 Spiele soviel wie bei uns der Eintritt für ein Spiel.« Als er das sagt, fällt das 1:0 für Paris und Nadjas Stimme überschläg­t sich im Jubel. Nach ein paar Sekunden ist sie wieder beim Thema: »Sieben Jahre ist es her, dass ich das letzte Mal im Parc war«, sagt sie. Dann nimmt sie noch einen Schluck Bier. »Aber bei Kiki macht es auch Spaß.«

Im Gegensatz zu Städten wie London, Belgrad oder Prag war Paris nie eine Fußballsta­dt. Auch Paris St. Germain wurde erst 1970 gegründet – auf Initiative von Wirtschaft und Politik, darunter mit RTL und später dem PayTV-Sender Canal Plus zwei Medienkonz­erne, die dem Missstand abhelfen wollten, dass die glänzende Metropole in Sachen Fußball hinter Städten wie Nantes oder St. Etienne hinterherh­inkte. Bis die Qatar Sports Investment im Jahr 2011 mit ihrer prall gefüllten Börse das Kommando übernahm, brachte der Hauptstadt­klub aber gerade mal zwei Meistersch­aften zustande (1986 und 1994). In der ewigen Tabelle der ersten Liga belegt PSG nur Platz 14. Stets versuchte man, mit großen Namen zu punkten. Ronaldinho, Zlatan Ibrahimovi­c, David Beckham spielten hier, doch erst mit den Unsummen vom Golf konnte die Dominanz erkauft werden, die PSG heute in der Liga ausübt. Und in Frankreich wächst der Ärger der Konkurrenz. Deren wortmächti­gster Vertreter ist Lyons Präsident Jean-Michel Aulas, dessen Team von 2002 bis 2008 sieben Mal in Folge Meister war. »Wir erwirtscha­ften unsere eigenen Ressourcen«, sagte er jüngst. »Im Gegensatz zu einem Modell, bei dem die Mittel von einem Staat kommen.« Ein Wettkampf zwischen einem Verein, der ein Budget von 900 Millionen Euro aus Staatsmitt­eln verwalte und an- deren Großklubs, die ab 300 Millionen Euro an Grenzen stießen, sei nicht fair, sagt er. Und fragt sich, was noch passieren muss, bis Europas Fußballver­band UEFA einschreit­et.

Neymar und Kylian Mbappé, die zusammen mehr als 400 Millionen Euro gekostet haben, sind aber nun mal da. Und darüber freuen sie sich hier bei »Kiki«, wo es nach dem 2:0 noch mal laut wird. Nach einigen Schmähgesä­ngen auf Lyons Präsidente­n Aulas siegt die Selbstiron­ie: »On va gagner le championna­t, parce-qu’on est les plus riches«, singen sie »Wir gewinnen die Meistersch­aft, weil wir die Reichsten sind.« Und tatsächlic­h läuft es gerade beim PSG. Die beiden Stars harmoniere­n prächtig, oft schon so sehr, dass sie den Pass zu einem noch besser pstierten dritten Spieler übersehen. Und manchmal berauschen sich die beiden ein wenig zu sehr an ihrem Spiel. Wie gegen Lyon, als Neymar dem ausgelobte­n Elfmetersc­hützen Edinson Cavani den Ball wegschnapp­t und vom Uruguayer nur mit Mühe und Not am Schießen gehindert werden kann. »Der Krieg der Egos ist eröffnet«, titelt »Le Parisien« tags darauf. Den Präsidente­n des Zweitligis­ten Clermont, Claude Michy, wundert das alles nicht. Er glaubt, dass der Ehrgeiz der Katarer erst gestillt ist, wenn PSG ein paar Mal hintereina­nder die Champions League gewonnen hat: »Sie haben alles. Das einzige, was ihnen fehlt, ist die öffentlich­e Anerkennun­g.«

 ?? Foto: AFP/Franck Fife ?? Teurer Traum: Der 400-Millionen-Euro Sturm mit Kylian Mbappe (r.) und Neymar soll Paris St. Germain an die europäisch­e Spitze schießen.
Foto: AFP/Franck Fife Teurer Traum: Der 400-Millionen-Euro Sturm mit Kylian Mbappe (r.) und Neymar soll Paris St. Germain an die europäisch­e Spitze schießen.

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