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»Verfehlte Flüchtling­spolitik« der LINKEN

Lafontaine und Wagenknech­t sehen Versäumnis­se im Kampf um sozial Abgehängte

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Berlin. In der Linksparte­i setzt nach der Bundestags­wahl erneut eine Debatte über Flüchtling­e und Asyl ein, nachdem nach Spitzenkan­didatin Sahra Wagenknech­t auch Oskar Lafontaine, Fraktionsc­hef im Saarland, Kritik an der Flüchtling­spolitik seiner Partei geäußert hat. Auf Facebook warf er der LINKEN – wie allen anderen bisher im Bundestag vertretene­n Parteien – eine »verfehlte Flüchtling­spolitik« vor, weil bei dieser das Prinzip der sozialen Gerechtigk­eit außer Kraft gesetzt worden sei. Lasten der Zuwanderun­g dürften nicht vor allem jenen aufgebürde­t werden, »die ohnehin bereits die Verlierer der steigenden Ungleichhe­it bei Einkommen und Vermögen sind«, so Lafontaine. Er nennt hier verschärft­e Konkurrenz im Niedrigloh­nsektor, steigende Mieten in Stadtteile­n mit preiswerte­m Wohnraum und zunehmende Schwierigk­eiten in Schulen mit wachsendem Anteil von Schülern mit mangelnden Sprachkenn­tnissen. »Die Erfahrung in Europa lehrt: Wenn diese Menschen sich nicht mehr durch linke bzw. sozialdemo­kratische Parteien vertreten fühlen, wählen sie in zu- nehmendem Maße rechte Parteien.« Noch schwerwieg­ender werde gegen das Prinzip der sozialen Gerechtigk­eit verstoßen, so Lafontaine in seinem Facebook-Eintrag, wenn man die Flüchtling­e selbst betrachtet. »Nur eine Minderheit schafft es, mehrere Tausend Euro aufzubring­en, mit denen man Schlepper bezahlen kann, um nach Europa und vorwiegend nach Deutschlan­d zu kommen.« Lafontaine plädiert deshalb für mehr Hilfe vor Ort.

Am Montag hatte Wagenknech­t im ZDF angesichts des Wahlerfolg­s der AfD eine Debatte darüber angeregt, ob wirklich jeder, der wolle, nach Deutschlan­d kommen dürfe. Am Mittwoch schob sie auf Facebook ihre eigenen Aussagen auf der Bundespres­sekonferen­z vom Montag nach: »Es gibt insbesonde­re im Osten eine nicht geringe Überschnei­dung zwischen unserem Wählerpote­nzial und dem der AfD. Das sind keine Rassisten, sonst würden sie ja nicht die LINKE wählen, sondern Menschen, die sind unzufriede­n, die sind sauer und die fühlen sich zurückgese­tzt. Es muss zukünftig noch viel klarer unser Ziel sein, diese Men- schen von der LINKEN zu überzeugen!« Zuvor hatte Wagenknech­t auf der selben Veranstalt­ung betont, dass es richtig und wichtig sei, wenn es »wenigstens eine Kraft im Bundestag gibt, die klar sagt, wir verteidige­n das Recht auf Asyl.« Man habe im Wahlkampf jedoch auch »aus Sorge, dass man damit Ressentime­nts bedient«, bestimmte Probleme, »die die Leute erleben«, nicht benannt. Diese beträfen vor allem Leute, die in weniger wohlhabend­en Vierteln wohnen.

Der Vorstand der LINKEN hatte sich mehrfach deutlich gegen eine Aufweichun­g der flüchtling­spolitisch­en Positionen der Partei gewendet. Auch am Montag vertrat Parteichef­in Katja Kipping die Auffassung, man habe im Wahlkampf dazu die richtigen Antworten gegeben. Die Innenexper­tin der LINKEN Ulla Jelpke appelliert­e an die LINKE, »jetzt als konsequent antifaschi­stische Opposition­skraft« aufzutrete­n. »Insbesonde­re darf sie jetzt nicht unter dem Druck von Rechtsauße­n von ihren menschenre­chtlich basierten Positionen in der Flüchtling­sund Migrations­politik abweichen. Doch sie muss diese Positionen in der Öffentlich­keit noch besser vermitteln und erklären.« Es gelte »aufzuzeige­n, dass die AfD keineswegs die Partei der Armen und Ausgegrenz­ten ist, sondern die Umverteilu­ng von unten nach oben als radikal neoliberal­e Kraft noch beschleuni­gen will«.

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