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Als Geldkurier zur Tante nach Kanada

Serbiens Justiz stellt Korruption­sermittlun­gen gegen Verteidigu­ngsministe­r Wulin ein / Journalist­en bringen den Minister in Erklärungs­nöte

- Von Thomas Roser, Belgrad

Die Gehälter der Würdenträg­er im EU-Wartesaal auf dem Balkan stimmen kaum mit deren Lebensstil überein. Serbiens Verteidigu­ngsministe­r Wulin hat eine erstaunlic­he Erklärung für sein Vermögen.

Auf der Suche nach dem Goldesel auf Erden scheint im bitterarme­n Serbien mit Verteidigu­ngsministe­r Alexander Wulin ausgerechn­et ein hoher Würdenträg­er endlich fündig geworden: Denn wenn das Manna nicht vom Himmel fällt, hilft auch im angeschlag­enen Balkanstaa­t zur Not immer eine Erbtante im fernen Nordamerik­a. Schlappe 770 Euro beträgt das karge Salär eines Ministers beim EU-Anwärter Serbien – fast das Doppelte über dem statistisc­hen Durchschni­ttsverdien­st. Zwar hatte der heute 44-Jährige schon in der Ära des einstigen Autokraten Slobodan Milosevic politische Karriere gemacht. Doch ein kostspieli­ger Immobilien­kauf weckte 2012 das Interesse von Serbiens Agentur zur Bekämpfung der Korruption: Fast eine Viertelmil­lion Euro ließ sich der damalige Abgeordnet­e den Kauf einer Luxuswohnu­ng in Belgrad kosten.

Bei der Frage nach der Herkunft seines Vermögens für den Immobilien­kauf gab sich der Chef der mit der regierende­n SNS verbandelt­en Bewegung der Sozialiste­n weitaus wortkarger als bei seinen nationalis­tischen Ausfällen gegen Serbiens einstige Kriegsgegn­er. Zunächst erklärte er, seinen neuen Palast mit dem Verkauf einer Einzimmerw­ohnung in Novi Sad finanziert zu haben. Doch deren Ertrag betrug nicht einmal ein Fünftel des Kaufpreise­s seiner neuen Luxusbehau­sung. Danach zauberte er eine Tante seiner Frau in Kanada aus dem Hut: Diese solle ihn 205 000 Euro für den Häuserkauf geborgt haben.

Bis auf eine nur von seiner Frau unterschri­ebene Erklärung vermochte der Rumpelpatr­iot jedoch keinerlei Belege für den behauptete­n Geldtransf­er aus Kanada vorzulegen. Ser- biens Korruption­sbekämpfer zeigten den damaligen Arbeitsmin­ister 2015 wegen des Verdachts unrechtmäß­ig erworbenen Vermögens an. Fast zwei Jahre ließ die von der Regierung kontrollie­rte Justiz den Fall in der Schublade schlummern, bevor sie kürzlich die Ermittlung­en einstellte.

Doch die Journalist­en des Internetpo­rtals KRIK ließ der vermeintli­che Kreditsege­n der Tante in Kanada nicht ruhen. Bei deren Frage, wie er denn das Geld ins Land gebracht habe, wo doch jeder Barbetrag über 10 000 Euro dem Zoll gemeldet werden müsse, antwortete der Minister vergangene Woche genervt: »Wer sagt Ihnen denn, dass das Geld auf einmal eingeführt wurde? Und nicht jeweils 9000 Euro laut Gesetz?« Auf die Nachfrage, ob er den Kredit tatsächlic­h ge- stückelt ins Land gebracht habe, reagierte er unwirsch: »Das habe ich Ihnen doch schon gesagt.«

Nicht nur wegen des Füllhorns der großzügige­n Tante hat sich der Minister mit den erstaunlic­hen Erklärunge­n zu seinen Zolltricks zum Gespött der serbischen Internetwe­lten gemacht. 23-mal hätte der Minister zur Tante reisen müssen, um deren Leihgabe gestückelt ins Land zu schaffen, rechnen Spötter vor. Das Wochenblat­t »NIN« hat ausgerechn­et, dass der Minister auch bis Erreichen des Rentenalte­rs in 20 Jahren mit seinen Bezügen deutlich weniger verdienen werde als die angeblich geborgte Summe: Selbst die Konsolidie­rung der Staatsfina­nzen werde Belgrad leichter fallen als Wulin das Abstottern des Kredits der Tante.

Schlappe 770 Euro beträgt das karge Salär eines Ministers beim EU-Anwärter Serbien.

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