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Mit Sekt und Schnittche­n

Zwei Berliner Standesämt­er öffnen am Sonntag die Türen für die ersten gleichgesc­hlechtlich­en Eheschließ­ungen

- Von Johanna Treblin

Das wahrschein­lich erste gleichgesc­hlechtlich­e Ehepaar in Deutschlan­d wird in Tempelhof-Schöneberg getraut. Die Partner sind Vorkämpfer der Homo-Ehe.

»Natürlich feiern wir«, sagt Bodo Mende. Am Sonntag wird er heiraten. Seit 1979 ist er bereits mit Karl Kreile liiert, seit 2002 leben sie in einer eingetrage­nen Partnersch­aft. »Damals haben wir abends noch eine Party gemacht. Jetzt werden wir etwas gediegener im Standesamt Sekt trinken und Schnittche­n essen und anschließe­nd machen wir zwei uns einen wunderbare­n Tag.«

Ab Sonntag, dem 1. Oktober, gilt in Deutschlan­d die Ehe für alle. Gleichgesc­hlechtlich­e Paare werden dann heterosexu­ellen Paaren gleichgest­ellt. Rein rechtlich ändert sich vor allem, dass zwei Männer oder zwei Frauen künftig auch Kinder adoptieren dürfen. Für Mende hat die Gesetzesän­derung aber einen großen symbolisch­en Wert – persönlich und politisch. »Wir sind dann kein Paar zweiter Klasse mehr.« Mit der Einführung der eingetrage­nen Partnersch­aft 2001 sei Deutschlan­d Vorreiter gewesen. »Mittlerwei­le ist Deutschlan­d im Vergleich zu anderen europäisch­en Ländern nur noch Mittelmaß.« Doch das wird sich jetzt ändern. Um zu unterstrei­chen, wie wichtig dieser Schritt ist, öffnen in Berlin zwei Standesämt­er ausnahmswe­ise an einem Sonntag die Türen. In Friedrichs­hain-Kreuzberg können sich zehn Paare trauen lassen, sowohl homo- als auch heterosexu­elle. Acht haben sich bereits angemeldet.

Bodo Mende und Karl Kreile werden sich in Tempelhof-Schöneberg das Ja-Wort geben. Rein rechtlich ist es eine »Umschreibu­ng«, da sie ihre Partnersch­aft ja bereits eintragen lassen haben. Mende und Kreile werden in dem Bezirk am Sonntag das einzige Paar sein. Am Montag wird ein weiteres Paar getraut. Insgesamt haben sich in dem Bezirk bereits 50 Paare zur Ehe für alle angemeldet. Wer kurzfristi­g noch die Ehe schließen will: Es sind auch in der kommenden Woche noch Plätze frei.

In Neukölln warten neun gleichgesc­hlechtlich­e Paare auf die Eheschließ­ung, heißt es aus dem Bezirksamt. Die Zahl der Anträge habe im Vergleich zur eingetrage­nen Partnersch­aft bisher nicht zugenommen, sagt ein Sprecher. Zahlen zu gleichgesc­hlechtlich­en Eheschließ­ungen soll es künftig in Neukölln vermutlich nicht mehr geben: Bei der Anmeldung werde nicht abgefragt, ob es sich um zwei Männer oder zwei Frauen oder um ein heterosexu­elles Paar handele, so der Sprecher.

Das gilt auch für andere Bezirke wie Mitte oder Treptow-Köpenick, wo Eheschließ­ungen auch ohne Termin möglich sind. Ist eine Zeremonie erwünscht, müssen gleichgesc­hlechtlich­e Paare genauso wie heterosexu- elle auf einen Termin warten, teilt Oliver Igel mit, Bezirksbür­germeister von Treptow-Köpenick(SPD). In Pankow sind bereits rund 15 Termine angefragt. Heiraten können gleichge-

schlechtli­che Paare dort aber erst einmal nicht: »Wir haben wegen der nach wie vor kritischen Situation beim Personal erst wieder im Dezember freie Termine«, schreibt der Stadtrat für Bürgerdien­ste Vollrad Kuhn (Grüne).

In Brandenbur­g hält sich die Zahl der bisherigen Anmeldunge­n für die Ehe für alle in Grenzen. Für den 2. Oktober ist laut Deutscher PresseAgen­tur eine gleichgesc­hlechtlich­e Eheschließ­ung geplant. Insgesamt sollen sich bislang zwölf Paare angemeldet haben. Die Standesbea­mten könnten sich allerdings noch nicht darauf vorbereite­n, weil die Beurkundun­gssoftware das nicht zulasse: Die notwendige­n Programmän­derungen erfolgten erst zum 1. Oktober, früher könnten keine Unterlagen ausgedruck­t werden.

Die Beispiele zeigen: Die Verwaltung macht bei der Eheschließ­ung künftig keinen Unterschie­d mehr zwischen homo- und heterosexu­ellen Paaren. »Doch das musste alles durchgekäm­pft werden«, sagt Bodo Mende. Er ist Vorstandsm­itglied des Lesben- und Schwulenve­rbands Berlin-Brandenbur­g. 1979 engagierte er sich in der »Homosexuel­len Aktion Westberlin«, wo er auch Karl Kreile kennenlern­te. 1992 beteiligte sich Mende an der »Aktion Standesamt«. 250 schwule und lesbische Paare beantragte­n am 19. August des Jahres in rund 100 Gemeinden in ganz Deutschlan­d das Aufgebot. Da die Standesämt­er ihnen die Eheschließ­ung verweigert­en, riefen etwa 100 Paare die Gerichte an. In den meisten Fällen wurden die Anträge zurückgewi­esen. Nur wenige Paare hatten zunächst Erfolg, mussten letztlich aber doch eine rechtliche Schlappe hinnehmen.

»Dann sind wir kein Paar zweiter Klasse mehr.« Bodo Mende

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Foto: dpa/Peter Kneffel Vor 25 Jahren forderten Lesben und Schwule mit der »Aktion Standesamt« 1992 vergeblich die Ehe für gleichgesc­hlechtlich­e Paare ein.

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