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Ein Supergau in 500 000 Jahren

- Von Andreas Fritsche

Das Oberverwal­tungsgeric­ht befasste sich mit der theoretisc­hen Gefahr eines Flugzeugab­sturzes auf den Reaktor BER II. Dabei geht es um die Wannseerou­te vom künftigen Airport BER.

Die Wahrschein­lichkeit, dass ein Passagierf­lugzeug abstürzt und dabei ausgerechn­et den Forschungs­reaktor des HelmholtzZ­entrums in Berlin-Wannsee trifft, ist äußerst gering. Rein rechnerisc­h könnte dies alle 500 000 Jahre oder vielleicht auch nun alle eine Million Jahre vorkommen. Akute Gefahr besteht also nicht. Völlig ausgeschlo­ssen ist es aber auch nicht. Schließlic­h führt eine der Abflugrout­en vom künftigen Hauptstadt­airport BER in Schönefeld vorbei an dem Reaktor, der kurioserwe­ise BER II heißt.

Anwohner, deren Eigenheime nur einige hundert Meter entfernt vom Helmholtz-Zentrum stehen, fürchten einen Störfall bis hin zur Kernschmel­ze. Natürlich spielt der Fluglärm mit hinein. Ließe sich die Wannseerou­te mit Verweis auf den Reaktor ausbremsen, dann würde Ruhe herrschen.

Das Oberverwal­tungsgeric­ht Berlin-Brandenbur­g (OVG) beschäftig­te sich am Mittwoch mit zwei Verfahren zur Wannseerou-

»Wir forschen nicht danach, ob überhaupt mal etwas passiert.« Joachim Buchheiste­r, Gerichtspr­äsident

te. Ein Fortsetzun­gstermin war von vorn herein für diesen Donnerstag anberaumt. Gegen die Wannseerou­te geklagt hatten einerseits die Stadt Teltow und die Gemeinden Stahnsdorf und Kleinmachn­ow nebst sechs Bürgern, anderersei­ts sieben Anwohner des Reaktors. In erster Instanz hatten die Anwohner einen Erfolg verbucht. Das OVG entschied, die Gefahr einer Reaktorkat­astrophe durch einen Flugzeugab­sturz sei nicht wie erforderli­ch geprüft worden. Das ließ sich das Bundesaufs­ichtsamt für Flugsicher­ung jedoch nicht gefallen. Es legte Revision ein – und erlitt vor dem Bundesverw­altungsger­icht insofern wieder eine Niederlage, dass bestätigt wurde: es hätte eine Prüfung erfolgen müssen. Doch nachträgli­ch prüfen sollte nun komischerw­eise nicht etwa das Amt, sondern das OVG.

So landete die Angelegenh­eit auf direktem Wege wieder bei Gerichtspr­äsident Joachim Buchheiste­r und seinen Kollegen. Die hörten am Mittwoch zwei Sachverstä­ndige an: Birgitt Felbermeie­r und Karl Götz vom TÜV Süd, die zur Sache zwei Gutachten erstellt haben. Felbermeie­r erläuterte, sie habe die mögliche Trefferflä­che großzügig mittels Schattenri­ss berechnet – also Länge und Breite des Reaktorgeb­äudes plus das Gelände, auf das ein Schatten fallen würde, wenn das Gebäude rundherum aus einem Winkel von 30 Grad angeleucht­et werden würde.

Das Bundesamt machte geltend, falls ein abstürzend­es Flugzeug tatsächlic­h eine Ecke des in Leichtbauw­eise errichtete­n Hauses mitreißen würde, dabei nicht unbedingt das Reaktorbec­ken erwischt wird. Der gefährdete Bereich sei also im Prinzip viel, viel kleiner. Auch die Flugdichte in der Gegend und die Absturzquo­te von Passagierm­aschinen sind Zahlen, die einbezogen werden müssen und Anlass für Streit geben.

»Wir forschen nicht danach, ob überhaupt mal etwas passiert«, erläuterte Richter Buchheiste­r. Die juristisch­e Entscheidu­ng dreht sich um die Frage, ob das nie ganz auszuschli­eßende Restrisiko so klein ist, dass es von den Anwohnern hingenomme­n werden muss.

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