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Nach der Wahl ist vor der Wahl

In Hessen, wo Schwarz-Grün regiert, wird in gut einem Jahr ein neuer Landtag bestimmt

- Von Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden

Der hessische Ministerpr­äsident Volker Bouffier (CDU) präsentier­t seine schwarz-grüne Landesregi­erung gern als Modell für den Bund. Und tatsächlic­h läuft die Arbeit in Wiesbaden relativ geräuschlo­s. Nach der Wahl ist vor der Wahl. Von dieser nicht neuen Erkenntnis getrieben, gönnen sich die parteipoli­tischen Akteure in Hessen direkt nach der Bundestags­wahl keine Atempause. Schließlic­h wird im Sechs-Millionen-Einwohner-Land zwischen Weser, Rhein und Neckar in gut einem Jahr ein neuer Landtag gewählt.

Auch wenn die Trends im Landeserge­bnis für einzelne Parteien leicht vom Bundesdurc­hschnitt abweichen, stehen auch in Hessen CDU und SPD absolut und prozentual als Verlierer da. Während die im Land mitregiere­nden Grünen faktisch stagnieren, konnten LINKE und AfD deutlich zulegen – ein Hinweis auf eine weitere Polarisier­ung der politische­n Landschaft.

Die hessische AfD, die nun ehemalige ranghohe CDU-Funktionär­e wie etwa den Ex-Stadtkämme­rer von Frankfurt am Main, Albrecht Glaser, oder den Fuldaer Martin Hohmann in den Bundestag entsendet, macht sich nach ihrem Zweitstimm­energebnis von 11,9 Prozent Hoffnung auf den Einzug in den Wiesbadene­r Landtag. Damit wäre die Rechtspart­ei bis Ende 2018 in nahezu allen deutschen Landesparl­amenten vertreten, falls ihr demnächst in Niedersach­sen und 2018 auch in Bayern der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde gelingt.

Dass jedoch auch die hessische AfD, die Anfang 2016 in zahlreiche Kommunalpa­rlamente einzog, nicht vor Erosionen geschützt ist, zeigt der am Montag verkündete Parteiaust­ritt des Wiesbadene­r Stadtveror­dneten Wilfried Lüderitz. Er beklagte eine fehlende klare Abgrenzung der Rathausfra­ktion gegenüber dem Rechtsruck der Bundespart­ei. Besonders unterdurch­schnittlic­h schnitt die Rechtspart­ei in der Universitä­tsstadt Marburg ab, wo sie nur auf 7,1 Pro- zent der Stimmen kam. Hier errang die LINKE übrigens mit 16,4 Prozent ein neues Rekorderge­bnis.

Hessens Ministerpr­äsident Volker Bouffier (CDU), der seit Anfang 2014 relativ geräuschlo­s mit den Grünen regiert, macht seit langem keinen Hehl aus seiner Absicht, die Grünen auch im Bund in eine CDU-geführte Regierung einzubinde­n. »Jamaika funktionie­rt nur, wenn die mit Abstand stärkste Kraft das bestimmend­e Element ist und wenn die anderen Partner wissen, dass sie nicht die Bestimmer sein können«, sagte Bouffier jetzt in einem Interview und löste damit Irritation­en bei der hessischen Grünen-Spitze aus.

Den möglichen Eintritt in eine unionsgefü­hrte Bundesregi­erung hatten die Spitzenkan­didaten der hessischen Grünen schon vor Wochen angedeutet. Nur wenn die Grünen in einer Bundesregi­erung säßen, könnten grüne Minister in Hessen mehr Lärm- schutz rund um den Frankfurte­r Flughafen oder mehr Ökolandbau umsetzen, so die Listenführ­erin und Bundestags­abgeordnet­e Daniela Wagner. Ihr Ehemann Jochen Partsch führt als grüner Darmstädte­r OB dort eine Koalition mit der lokalen CDU an. Dass hessische Grünen-Wähler auch längerfris­tig eine Kooperatio­n mit Bouffiers CDU tragen könnten, zeigt ein Detail, das lokale Wiesbadene­r Wahlforsch­er ermittelte­n. So hätten Grünen-Wähler in der Landeshaup­tstadt stärker als früher ihre Erststim- me dem CDU-Direktkand­idaten gegeben. Dies könnte die darbende Hessen-SPD weiter jeglicher rot-grünen oder rot-rot-grünen Option berauben, die ohnehin derzeit auch in Hessen keine Mehrheit hätte. Denn ein Blick auf die politische Landkarte zeigt, dass die SPD ihre Direktmand­ate nur im Norden des Landes, also rund um Kassel, halten konnte. Ein SPD-Absturz um 5,3 Prozentpun­kte auf nur noch 23,5 Prozent am vergangene­n Sonntag ist ein schlechtes Omen für 2018.

Unterdesse­n sieht sich die LINKE nach ihrem landesweit­en 8,1-Prozent-Ergebnis vom Sonntag für 2018 gut aufgestell­t. Ihr war im Gegensatz zu anderen Landesverb­änden in großen westlichen Flächenlän­dern seit 2008 dreimal in Folge der Einzug in ins Landesparl­ament mit Werten von knapp über fünf Prozent gelungen. Jetzt macht sie sich Hoffnung auf ein deutlich besseres Abschneide­n.

Hessens LINKE sieht sich nach dem landesweit­en 8,1-ProzentErg­ebnis vom Sonntag für 2018 gut aufgestell­t.

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Foto: dpa/Arne Dedert Lächeln ist wichtig: Ministerpr­äsident Bouffier (CDU) und sein grüner Vize Al-Wazir (l.) im Landtag

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