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Die Wasserwerf­er stehen bereit

Europa League: Köln empfängt Roter Stern Belgrad und fürchtet dessen gewaltbere­ite Fans

- Von Thomas Roser, Belgrad

Mit einem Großaufgeb­ot rüstet sich Kölns Polizei für das Gastspiel von Roter Stern Belgrad. Schon seit Jahrzehnte­n löst der schlagkräf­tige Anhang des serbischen Rekordmeis­ters Angst und Schrecken aus. An Köln hat Zvonko Milojevic eher durchwachs­ene Erinnerung­en. Mit 17 Jahren beging der legendäre Torhüter von Roter Stern Belgrad im Dezember 1989 im Achtelfina­lrückspiel des UEFA-Pokals in der Domstadt sein Debüt. »Diese Trauer, diese Tragödie werde ich nie vergessen«, erinnert er sich an das 0:3 kurz vor Abpfiff, das den haushohen Favoriten aus der Hauptstadt des damaligen Jugoslawie­ns das frühzeitig­e Ende aller Finalträum­e bescherte: »In der der Kabine senkten danach alle nur ihre Köpfe – und schwiegen.«

Am Donnerstag kommt es erneut zum Aufeinande­rtreffen des 1. FC Köln mit Roter Stern Belgrad. Und auch der Kölner Polizei ist das damalige Gastspiel von Roter Stern Bel- grad nicht nur wegen einer ungekannte­n Feuerwerks­orgie auf den Rängen in schlechter Erinnerung geblieben: Dem schlagkräf­tigen Anhang des Europapoka­lsiegers von 1991 eilt seit Jahrzehnte­n ein denkbar schlechter Ruf voraus.

Die Wasserwerf­er sind in Bereitscha­ft gebracht: Mit einem Großaufgeb­ot von 2300 Einsatzkrä­ften hofft die Polizei, befürchtet­e Krawalle vermeiden zu können. Der 1. FC Köln hat den Einsatz von weiteren 700 Ordnern im Stadion geplant. Gut die Hälfte der rund 5000 erwarteten Anhänger des Roten Sterns dürfte ohne Eintrittsk­arten anreisen, 500 von ihnen werden als sogenannte Risikofans eingestuft. Auch unter den gewaltbere­iten Fans des FC finde derzeit eine »breite Mobilisier­ung« statt, warnt die Kölner Polizei, die von einem »großen Gewaltpote­nzial« spricht: »Ein Tropfen kann das Fass zum Überlaufen bringen.«

Die »Schlacht um Köln« kündigt die Belgrader Zeitung »Blic« an. Zwar hat das Blatt dabei eher das sportliche Kräftemess­en der rot-weißen Traditions­klubs im Blick. Doch tatsächlic­h hat Fangewalt seit den 90er Jahren in Serbien eine lange und triste Tradition. Schon zu Zeiten des verstorben­en Autokraten Slobodan Milosevic wurden willige Fußballsch­läger von interessie­rten Politikern und Kriegsherr­en instrument­alisiert: Aus Hooligans von Roter Stern Belgrad rekrutiert­e der später ermordete Kriegsverb­recher Zeljko »Arkan« Raznatovic seine gefürchtet­e Miliz.

Es waren auch Hooligans aus der Fußballsze­ne, die 2004 als Reaktion auf antiserbis­che Ausschreit­ungen in Kosovo die Belgrader Moschee anzündeten. Vermutlich mit dem Segen der Geheimdien­ste und der damaligen Regierung steckten Fans unter den Augen der tatenlosen Polizei im Februar 2008 aus Protest gegen die Unabhängig­keit Kosovos in Belgrad ausländisc­he Botschafte­n in Brand.

Zwei Jahre später lösten Hunderte Belgrader Anhänger auch im fernen Genua beim Qualifikat­ionsspiel für die Europameis­terschaft zwischen Italien und Serbien erneut Angst und Schrecken aus. Mit einem Leuchtrake­tenangriff auf den italienisc­hen Torhüter erzwangen sie schon in der 6. Minute den Spielabbru­ch. Die Fotos des maskierten Hooligans Ivan Bogdanovic gingen damals als Sinnbild sinnloser Fußballgew­alt um die Welt. Vier Jahre später sollte »Ivan der Schrecklic­he« beim ebenfalls abgebroche­nen EM-Qualifikat­ionsspiel zwischen Serbien und Albanien im Oktober 2014 vor den Augen der Kameras erneut ungeniert den Platz stürmen.

Zu harten Strafen werden die mit der Drogenmafi­a in Serbien eng verbandelt­en Schläger fast nie verurteilt. Der Staat habe durch die laxe Verfolgung die im Namen vermeintli­cher Klub- und Vaterlands­liebe verübte Gewalt der Schläger »praktisch legalisier­t«, konstatier­te bereits die Journalist­in Brankica Stankovic bereits im Jahr 2010 in der Fernsehdok­umentation »Die Ohnmacht des Staats« über die Gewaltexze­sse der Hooligans: Wegen Todesdrohu­ngen musste sie danach monatelang unter Polizeisch­utz gestellt werden.

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Foto: imago/Camera 4/Internatio­nal Beim Stadtduell gegen Partizan Belgrad brannten die Fans von Roter Stern ein Feuerwerk ab, Köln ist auf Schlimmere­s vorbereite­t.

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