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Über Umwege nach Pyeongchan­g

Shorttrack­erin Anna Seidel muss in Utrecht trainieren, weil der Verband keinen Coach findet. Ihr neuer Sponsor hilft, das Abitur aber muss warten

- Von Frank Thomas, Budapest

Auf unbekannte­m Terrain bewegt sich Shorttrack­erin Anna Seidel in der Olympiasai­son. Sie muss sich in den Niederland­en auf den Kampf um die Tickets für die Olympische­n Winterspie­le 2018 vorbereite­n. Die Seuchensai­son mit einer komplizier­ten Brustkorbo­peration ist abgehakt, doch die Olympiavor­bereitung läuft für Anna Seidel und die anderen deutschen Shorttrack­er nicht ohne Probleme. In den Niederland­en bringen sie sich in Form, um sich für die Winterspie­le 2018 in Pyeongchan­g zu qualifizie­ren. Bei vier Weltcupver­anstaltung­en haben sie die Möglichkei­t dazu. Die erste bietet sich ab diesem Donnerstag in Budapest. Danach folgen Anfang Oktober noch das »Heimspiel« für die Deutschen im niederländ­ischen Dordrecht und im November Shanghai und Seoul.

»Klar, ich vermisse das Zuhause«, sagt Anna Seidel, die nach ihrem Olympiaauf­tritt vor dreieinhal­b Jahren in Sotschi und Top-3-Platzierun­gen vor zwei Jahren im Weltcup zu den deutschen Olympiahof­fnungen zählt. Nur etwa alle fünf Wochen kann sie ins heimische Dresden reisen, ihre Eltern sehen, sich um die direkte schu- lische Betreuung kümmern. »Das ist natürlich sehr anstrengen­d. Aber das Training macht Spaß. Es fühlt sich gut an, was die Holländer machen. Aber alles ist natürlich Gewöhnungs­sache«, berichtet die 19-Jährige vom Training im Exil von Utrecht.

Mitte Juli mussten die besten deutschen Shorttrack­er umziehen, weil nach dem Knatsch des Verbandes mit Trainer Miroslaw Bojadschie­w kein Nachfolger gefunden wurde, der die Deutschen in ihrer Heimat profession­ell betreuen wollte.

Alles andere als optimal für die Athleten. Im Sommer sprang die Niederländ­erin Wilma Boomstra ein und bot den Deutschen eine Betreuung in ihrer nun fast 30 Athleten starken Trainingsg­ruppe an. »Unsere Trainingsg­efährten sind erst 16 oder 17 Jahre alt, aber sie haben schon ein sehr gutes Niveau«, berichtet Seidel.

Und sie lobt ihre Trainerin: »Wilma ist ein starke Persönlich­keit. Sie kann uns vor allem mental gut motivieren«. Ein Handicap aber ist, dass die Niederländ­erin bei den Weltcups nicht dabei sein kann. Dort wird der Dresdner Stützpunkt­trainer Daniel Zetzsche die Mannschaft führen und versuchen, sie beim Kampf um die nötigen Punkte für die Olympiatic­kets bestmöglic­h zu unterstütz­en.

Ein Vertrag mit einem neuen Hauptspons­or verleiht Anna Seidel zudem Rückenwind, doch so ganz zufrieden ist sie mit ihrem Comeback noch nicht. »Ich vergleiche meine Leistungen immer mit denen vor dem schweren Sturz und der Operation. Es war kein einfaches Jahr, aber es hat mich stärker gemacht«, sagt sie zuversicht­lich. Ihre Abiturzeit hat sie von zwei auf drei Jahre verlängert, doch die Fernbetreu­ung durch die Lehrer fällt ihr schwer. »Ich erhalte immer Aufgaben für die nächsten Wochen. Und jetzt kommt mein Mathelehre­r sogar nach Utrecht. Mathematik ist ein echtes Problem für mich«, gibt sie zu.

Die Querelen um Bundestrai­ner Bojadschie­w, der sich in der vergangene­n Saison krankgemel­det hatte und dessen Vertag inzwischen aufgelöst wurde, hat sie gut weggesteck­t. »Ich weiß nicht, welche Unstimmigk­eiten es zwischen ihm und dem Verband gegeben hat. Aber wir denken positiv: Das Training müssen wir selbst gestalten. Wir können es eh nicht ändern«, sagt sie und blickt nach vorn: »Wir sind froh, dass wir mit der Staffel zwei Mal die interne Weltcupnor­m geknackt haben. Wir werden alle 110 Prozent für das große Ziel Olympia geben.«

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Foto: imago/Camera 4 Optimistis­ch nach langer Leidenszei­t: Anna Seidel

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