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Schröder übernimmt Führungsro­lle bei Rosneft

Der Staatskonz­ern ist Russlands größter Steuerzahl­er / Kritik am Ex-Bundeskanz­ler von seiner Nachfolger­in

- Von Nina Jeglinski mein

Ex-Kanzler Schröder soll in den Aufsichtsr­at des russischen Ölkonzerns Rosneft. Die einen kritisiere­n heftig, andere sehen es als Chance. Am Freitag soll Altkanzler Gerhard Schröder in Sankt Petersburg in die Führung des staatlich kontrollie­rten russischen Ölkonzerns Rosneft eintreten. Ob als Aufsichtsr­at oder sogar als Vorsitzend­er des Verwaltung­sra- tes, das ist noch unklar. Schröder könnte mit dieser Personalen­tscheidung von Russlands Präsident Wladimir Putin den mächtigen RosneftVor­standsvors­itzenden Igor Setschin kontrollie­ren. Der gilt als der zweitmächt­igste Mann Russlands – hat Putin Schröder deshalb geholt?

Offiziell wird die Personalie Schröder in Moskau als rein wirtschaft­liche Entscheidu­ng verkauft. Andrej Klimow, stellvertr­etender Vorsitzend­er des Auswärtige­n Ausschusse­s in der Duma, sagte: »Das ist keine politische, sondern eine kommerziel­le Entscheidu­ng von Rosneft.« Schröder verfüge über lange Erfahrung in der russischen Wirtschaft und sei internatio­nal bekannt und geachtet.

Die Kandidatur des früheren SPDBundesk­anzlers wird in Branchenkr­eisen als bequem empfunden, weil Schröder formal als unabhängig­er Aufsichtsr­at gilt und seine Loyalität gegenüber Putin keine Fragen aufwirft. Konstantin Simonow von der Stiftung für Nationale Energiesic­herheit erklärte dazu: »Seit dem Verkauf von 19,5 Prozent der Rosneft-Anteile an Glencore und den Investment­fonds von Katar im vergangene­n Herbst hat Russland zwei weitere Sitze im Aufsichtsr­at an Ausländer verloren.« Gemeint sind damit – neben Schröder – der südafrikan­ische Glencore-Chef und Multimilli­ardär Ivan Glasenberg, und Faisal Al-Suwaydi, Präsident für Forschung und Entwicklun­g der Katar-Stiftung. Damit werde die Führung internatio­naler, schreiben russischen Medien. Glencore ist die weltweit größte im Rohstoffha­ndel tätige Unternehme­nsgruppe mit Hauptsitz in der Schweiz.

Schröder spricht über seinen neuen Arbeitgebe­r, als wäre das ein Konzern wie viele andere. Doch Rosneft ist ein Machtfakto­r in Russland: Mit umgerechne­t knapp 20 Milliarden Euro jährlich gilt Rosneft als größter Steuerzahl­er des Landes. Gemessen am föderalen Haushalt beträgt Rosnefts Anteil etwa zehn Prozent.

Mittlerwei­le hat der Konzern in dieser Hinsicht sogar Gazprom überflügel­t. Der Aufstieg des Unternehme­ns ist eng verbunden mit dem Namen Setschin. Einst einfacher Mitarbeite­r Putins in der Petersburg­er Stadtverwa­ltung, trieb Setschin nach

Gerhard Schröder, Ex-Bundeskanz­ler und demnächst im Rosneft-Aufsichtsr­at

dessen Machtantri­tt erst als Vizepremie­r für Energiefra­gen und später als Rosneft-Chef die Expansion des Staatskonz­erns voran.

Seit Bekanntwer­den der Personalie Schröder reißt die Kritik nicht ab, vor allem in Deutschlan­d, der EU und am meisten in der Ukraine. Bundeskanz­lerin Angela Merkel kritisiert­e die Nominierun­g Schröders mit den Worten: »Er untergräbt die von der Europäisch­en Union verhängten Sanktionen. Das ist eine sehr traurige Situation.»

»Moralisch verwerflic­h« nennt Andrej Melnyk, Botschafte­r der Ukraine in Deutschlan­d, den Einzug des Altkanzler­s in den russischen Staatskonz­ern. Vor allem die Absicht Schröders, einen Energierie­sen zu leiten, der sich auf der EU-Sanktionsl­iste befinde, gebe Anlass zur Kritik.

Schröder selbst argumentie­rt, er trete seinen neuen Posten als Privatmann an. »Er macht nicht nur sein eigenes Image kaputt, wenn er Lobbyist wird, sondern auch das der Bundesrepu­blik«, warnt Rebecca Harms, Europa-Abgeordnet­e der Grünen aus Niedersach­sen.

Schröders Karrierepl­anung gelte in doppelter Hinsicht als problemati­sch, meint Frank Umbach, Research Director am European Centre for Energy and Resource Security des Londoner King's College: »Er untergräbt die EU-Sanktionen gegen Russland und fällt damit Merkel in den Rücken, die viel Energie darin investiert hat, die Europäer bei dem Thema zusammenzu­halten.« Die EU hatte sich ganz bewusst dafür entschiede­n, auf die russische Annexion der Krim nicht militärisc­h zu reagieren.

Doch es gibt auch andere Stimmen. Schröders neue Führungsro­lle bei Rosneft könnte dazu dienen, die deutsch-russischen und die russischeu­ropäischen Beziehunge­n zu verbessern, merkt Russland-Experte Alexander Rahr an. Und die Moskauer Zeitung »Kommersant« berichtet, die öffentlich­e Meinung in Deutschlan­d zeige, dass 60 bis 70 Prozent der Menschen die Beziehunge­n zu Russland normalisie­ren wollten.

Schröder selbst weist alle Kritik von sich: »Ich werde das tun. Es geht um Leben, und darüber bestimme ich«, sagte Schröder Ende August bei einem SPD-Wahlkampfa­uftritt. Er wolle dabei mithelfen, die Energiever­sorgung Deutschlan­ds und Europas zu sichern. Der Sozialdemo­krat erklärte weiter, es sei aus ökonomisch­en und politische­n Gründen nicht vernünftig, Russland zu isolieren. »Die Dämonisier­ung Russlands hilft keinem.«

»Ich werde das tun.

Es ist mein Leben, um das es hier geht, und darüber bestimme ich.«

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