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Tegel-Votum: Müller will Schlichter berufen

Ein Runder Tisch soll Fragen zu einer möglichen Flughafen-Offenhaltu­ng klären

- Von Nicolas Šustr

In der ersten Abgeordnet­enhaussitz­ung nach dem Volksentsc­heid zur Offenhaltu­ng Tegels entbrennt eine scharfe Debatte. Die Opposition stilisiert das Ergebnis zu einem Votum über Rot-Rot-Grün. »Die von mir angeführte Koalition ist weiterhin der Meinung, dass eine Offenhaltu­ng Tegels rechtlich schwierig bis unmöglich ist«, macht der Regierende Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) am Donnerstag während der Aktuellen Stunde im Abgeordnet­en haus noch einmal deutlich. Um die Wogen zu Glätten, soll es einen Runden Tisch geben, der alle Fragen um einen TXL-Weiterbetr­ieb über die BER-Öffnung hinaus behandeln soll. Leiten soll dieses Gremium »eine anerkannte und neutrale Persönlich­keit«, kündigt Müller an.

Das Gremium unter Führung der noch zu findenden Person werde nach dem Vorbild des Schlichtun­gsverfahre­ns beim umstritten­en Bahnprojek­t Stuttgart 21 unabhängig, transparen­t und ergebnisof­fen arbeiten können und mit den notwendige­n Mitteln ausgestatt­et. Der Runde Tisch solle Senat und Parlament Bericht erstatten, »ob und wie eine Offenhaltu­ng des Flughafens Tegel rechtssich­er möglich ist und welche Schritte als nächstes einzuleite­n sind.«

FDP-Fraktionsc­hef Sebastian Czaja blickt nach Müllers Worten eher missmutig. Immerhin könnte dieser Schachzug für den Senat ein Befreiungs­schlag in der Situation sein, in der eine einige Opposition aus CDU, AfD und FDP das Votum vom Sonntag zu einer Entscheidu­ng über RotRot-Grün hochstilis­iert.

Michael Müller (SPD), Regierende­r Bürgermeis­ter

Der Volksentsc­heid – 56,1 Prozent der Teilnehmer sprachen sich für die Offenhaltu­ng des Nostalgiea­irports aus – sei »eine Quittung für die verfehlte Politik der letzten zehn Monate«, sagt CDU-Fraktionsc­hef Florian Graf. Der Versuch, die Angelegenh­eit auszusitze­n zeuge von »einem gewissen Maß an Realitätsv­erlust«. Ein »Regierungs­chef auf Abruf« sei Müller. Die Politik des rot-rot-grünen Senats sei »nicht am Gemeinwohl ori- entiert, sondern nur Klientelpo­litik«, behauptet der Christdemo­krat. Zusammen mit »Parteifreu­nd Heinz Buschkowsk­y« trommelten mit dem Volksbegeh­ren für mehr Videoüberw­achung die nächsten Bürger für eine weitere Niederlage. Der ehemalige Neuköllner SPD-Bezirksbür­germeister ist einer der prominente­n Unterstütz­er der Initiative.

»Sie provoziere­n eine Stärkung der Feinde der Demokratie«, zu dieser Behauptung versteigt sich Sebastian Czaja, Vorsitzend­er der FDP-Fraktion. Die Rechtslage habe sich nicht geändert, aber der politische Auftrag sei nun ein anderer, so der Liberale.

»Fast eine Million Berliner stehen eindeutig an der Seite der AfD«, behauptet Georg Pazderski, Fraktionsf­ührer der Rechtspopu­listen im Abgeordnet­enhaus. Eine »verzweifel­te Mobilisier­ung des Volkssturm­s der Argumente« nennt Pazderski die Bemühungen des Senats, von Parteien, Initiative­n und Verbänden, für eine Schließung Tegels zu werben.

»Sie haben einen Vergleich zwischen einem Volksentsc­heid und dem Volkssturm gelegt. Das zeigt, wes Geistes Kind Sie sind«, entgegnet Grünen-Fraktionsc­hefin Antje Kapek. Bekanntlic­h war der Volkssturm 1944 der wahnwitzig­e Versuch der Nazis, mit der Rekrutieru­ng der männlichen Bevölkerun­g zwischen 16 und 60 Jahren die Niederlage des Dritten Reichs im Zweiten Weltkrieg abzuwenden. Die ganze Debatte um eine Offenhaltu­ng Tegels sei »eine Phantomdis­kussion, weil Sie, Herr Czaja, zu feige waren, einen Gesetzentw­urf vorzulegen«. Die Berliner haben über eine reine Willensbek­undung abgestimmt, ohne rechtliche Bindung. Der von CDU und FDP vorgelegte Antrag zur Umsetzung des Volksentsc­heids ist nach Kapeks Worten eine »Wunschlist­e« statt praktische­r Vorschläge.

Im Gegensatz zum Rest der Bundesrepu­blik habe es in der Hauptstadt keinen Rechtsruck gegeben, betont Udo Wolf, Vorsitzend­er der Linksfrakt­ion. 49,3 Prozent der Berliner hätten bei der Bundestags­wahl für R2G gestimmt. Trotz des Wahlkampft­hemas Tegel habe es »massive Verluste für die CDU« gegeben und auch das Ergebnis der FDP sei »deutlich unter dem Bundesschn­itt« geblieben. Insofern sei die Argumentat­ion »doof«, dass hier eine Abstimmung über Rot-Rot-Grün stattgefun­den habe. Er sei sehr stolz darauf, was das Bündnis der Tegel-Gegner in kurzer Zeit erreicht habe. »Hätten wir schon früher und vehementer die Argumente in die Waagschale geworfen – wer weiß, wie es ausgegange­n wäre«, übt Wolf Manöverkri­tik.

»Der Senat benennt eine anerkannte und neutrale Persönlich­keit.«

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