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Zu Hause leben ohne Pflegedien­st

33 Prozent der pflegebedü­rftigen Senioren in Brandenbur­g werden von Angehörige­n betreut

- Von Andreas Fritsche

Rentner möchten so lange es geht in den eigenen vier Wänden leben. In Zukunft geht es vielleicht gar nicht anders. Der Fachkräfte­mangel wird sich noch verschärfe­n, wenn nichts unternomme­n wird. Senioren möchten in der Regel selbst nicht ins Heim, sondern sie wollen so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden wohnen und erforderli­chenfalls dort auch gepflegt werden. Das weiß Gabriela Leyh, Landesgesc­häftsführe­rin der Krankenkas­se Barmer. Bekannt ist das aus allen möglichen Umfragen.

In Brandenbur­g leben 75,1 Prozent der Pflegebedü­rftigen noch zu Hause. Im Bundesdurc­hschnitt sind es 67,2 Prozent. 34 Prozent der pflegebedü­rftigen Brandenbur­ger werden von Pflegedien­sten aufgesucht, 33 Prozent verlassen sich allein auf die Unterstütz­ung durch Angehörige.

Der deutliche Unterschie­d zu anderen Bundesländ­ern ergebe sich aus den vorhandene­n Kapazitäte­n, erläutert Leyh am Donnerstag. So gebe es auf die jeweilige Zahl der Pflegebedü­rftigen gerechnet in SchleswigH­olstein fast doppelt so viele Heimplätze.

Doch obwohl Angehörige gegenwärti­g die Hauptlast der Pflege tragen und Hilfe bekommen können – die drohende Versorgung­slücke werden sie nach Überzeugun­g von Gabriela Leyh nicht schließen können. »Aus eigener Erfahrung kann ich mir das nicht vorstellen, weil man einfach irgendwann an eine Belastungs­grenze kommt.«

Dabei gibt es durchaus Hilfe von der Pflegekass­e. Wer in den Urlaub fahren, sich auch einmal erholen möchte, der könne dies tun. Unter bestimmten Umständen werden für maximal sechs Wochen im Jahr die Kosten für eine Ersatzpfle­geperson übernommen. Außerdem gibt es noch die wenig bekannte Möglichkei­t der Betreuungs­hilfe. Bei Pflegestuf­e 1 bis 4 können 125 Euro monatlich beantragt werden, um damit stundenwei­se eine Art Haushaltsh­ilfe zu bezahlen, die einkauft oder mit den alten Menschen spazieren geht. Bei Pflegestuf­e 5 können 215 Euro bewilligt werden. Trotzdem: Auch volkswirts­chaftlich wäre es nicht sinnvoll, alle Alten durch Angehörige betreuen zu lassen, weil die pflegenden Kinder oder Enkel dem Arbeitsmar­kt dann an anderer Stelle fehlen würden. Denn einen Fachkräfte­mangel gibt es perspektiv­isch und teils bereits jetzt nicht nur im Gesundheit­swesen, sondern auch im Handwerk und in anderen Branchen. Wegen der Bevölkerun­gsentwickl­ung könnten nach Angaben der Barmer im Jahr 2030 in Brandenbur­g drei von vier Pflegebedü­rftigen nicht mehr versorgt werden, wenn nicht viel mehr Stellen in der Altenpfleg­e geschaffen und auch besetzt werden.

Aus einer 2014 vom Sozialmini­sterium in Auftrag gegebenen Fach- kräftestud­ie geht hervor: Waren im Jahr 2009 noch 11 000 Fachkräfte bei den Pflegedien­sten beschäftig­t und 15 000 in den Pflegeheim­en, so müssten es im Jahr 2030 fast 21 000 bei den Pflegedien­sten sein und mehr als 33 000 in den Heimen. Nur so ließe sich das Horrorszen­ario der riesigen Versorgung­slücke verhindern.

Zwar werde in Brandenbur­g im Gegensatz zu etlichen anderen Bundesländ­ern schon kein Schulgeld mehr für die Altenpfleg­eausbildun­g verlangt, hebt Leyh lobend hervor. Doch die Ausbildung­svergütung sei im Vergleich zum Lehrlingsg­eld in anderen Berufen nicht besonders. Dazu kommt die Aussicht auf geringe Löhne für eine schwere Arbeit. Nicht umsonst hatte die LINKE in ihrem Programm zur Bundestags­wahl mindestens 14,50 Euro pro Stunde für Pflegekräf­te gefordert. Tatsächlic­h wird im Moment oft deutlich weniger gezahlt.

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Foto: dpa/Patrick Pleul In einem Seniorenhe­im

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