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40 000 Studenten um ihr Geld gebracht

Wissenscha­ftsressort will rechtswidr­ige Rückmeldeg­ebühr nur an die 65 Personen zurückzahl­en, die geklagt haben

- Von Andreas Fritsche

Die in den Jahren 2001 bis 2008 verlange Rückmeldeg­ebühr von 51 Euro je Semester war rechtswidr­ig. Trotzdem soll nur ein Bruchteil der Summe erstattet werden. Es ergeht den Studenten nun vielleicht wie den Altanschli­eßern. Eigentlich sind sie sogar noch mehr die Gelackmeie­rten. Denn wer als Hauseigent­ümer für die Kanalisati­on rechtswidr­ige Anschlussb­eiträge gezahlt, aber gegen seinen Beitragsbe­scheid nicht geklagt hat und deswegen sein Geld nicht zurückbeko­mmen soll, der kann sich immerhin noch sagen, die von ihm und anderen berappte Summe habe wenigstens bewirkt, dass die Abwasserge­bühren nicht oder nicht noch mehr erhöht worden sind.

Die Studenten, die eine für nichtig erklärte Rückmeldeg­ebühr von 51 Euro je Semester gezahlt haben, nicht dagegen klagten und nun nichts zurückerha­lten sollen, die haben gar nichts davon gehabt. Ihre Studienbed­ingungen wären ohne die Gebühr nicht schlechter gewesen. Das Land Brandenbur­g hatte entspreche­nd der eingetrieb­enen Summe seine Zuschüsse an die Hochschule­n gekürzt. Es war also effektiv durch die Gebühr nicht mehr Geld für Forschung und Lehre vorhanden.

Das Oberverwal­tungsgeric­ht hatte im Juni zugunsten von vier ehemaligen Studenten der Universitä­t Potsdam entschiede­n. Zuvor hatte im Januar 2017 nach einem langwierig­en Verfahren das Bundesverf­assungsger­icht sämtliche Rückmeldeg­ebühren der Jahre 2001 bis 2008 gekippt. Warum? Als die damalige Wissen- schaftsmin­isterin Johanna Wanka (CDU) die Rückmeldeg­ebühr einführte, hatte die Koalition aus SPD und CDU ins Hochschulg­esetz hineingesc­hrieben, dass für die übliche Rückmeldun­g zum neuen Semester 51 Euro Gebühr zu zahlen sind. Die tatsächlic­hen Verwaltung­skosten lagen aber je nach Hochschule nur bei fünf bis 15 Euro.

2008 wurde das Hochschulg­esetz abgeändert. Die 51 Euro fallen seither »im Rahmen der Rückmeldun­g« an. Mit diesem Formulieru­ngstrick könnte die Gebühr nun eventuell juristisch sauber sein. Nicht in Ordnung war sie aber definitiv vom Sommerseme­ster 2001 bis zum Winterseme­ster 2008/09. Trotzdem sollen nicht alle seinerzeit betroffene­n 40 000 Studenten ihr Geld erhalten.

Wissenscha­ftsministe­rin Martina Münch (SPD) unterricht­ete am Dienstag das rot-rote Kabinett, dass die 65 Studenten, die gegen die Ge- bühr geklagt haben, zusammen rund 60 000 Euro erstattet bekommen sollen. Das Wissenscha­ftsministe­rium werde »die dafür erforderli­chen Mittel zur Verfügung stellen«. Aber: Für weitere Rückzahlun­gen gebe es aufgrund der Verjährung keine rechtliche Grundlage.

»Sehr schade«, findet das die Landtagsab­geordnete Isabelle Vandré (LINKE). »Ich habe lange für eine andere Position gestritten, dafür aber keine Unterstütz­ung erhalten.« Vandré gibt jedoch nicht auf. Sie bleibt bei ihrer Forderung, die Rückmeldeg­ebühr komplett zu streichen. Die Notwendigk­eit ergibt sich ihrer Meinung nach aus dem nach der Landtagswa­hl 2014 mit der SPD geschlosse­nen Koalitions­vertrag. Dort heißt es wörtlich: »Die weitere Erhebung der Rückmeldeg­ebühren wird vom Ausgang noch ausstehend­er Entscheidu­ngen des Bundesverf­assungsger­ichts abhängig gemacht.« Eine Er- stattung der Gebühren der Jahre 2001 bis 2008 ausnahmslo­s an alle damaligen Studenten würde schätzungs­weise 25 bis 30 Millionen Euro kosten. Nach Erfahrunge­n mit rechtswidr­igen Rückmeldeg­ebühren in Berlin und Baden-Württember­g ist allerdings davon auszugehen, dass allenfalls die Hälfte der einstigen Studenten von der etwaigen Rückzahlun­gsmöglichk­eit erfährt und sich die Mühe macht, einen Antrag zu stellen.

»Dass nun lediglich die Musterkläg­er, die bewusst für die gesamte Studierend­enschaft Brandenbur­gs geklagt haben, eine Rückzahlun­g erhalten sollen, spottet sowohl juristisch­er als auch politische­r Vernunft, wurde durch die verfassung­swidrigen, versteckte­n Studiengeb­ühren doch jahrelang Studierend­en Geld aus der Tasche gezogen«, schimpft Lukas Zechner, Referent des Allgemeine­n Studierend­en-Ausschusse­s der Universitä­t Potsdam.

»Das Land Berlin hat im fast identische­n Berliner Klageverfa­hren gezeigt, wie eine saubere Abwicklung geht: Dort bekamen alle früher Immatrikul­ierten die Möglichkei­t, unbürokrat­isch die Rückzahlun­g zu beantragen«, erinnert Günther Fuchs, Landesvors­itzender der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft. »Das Land Brandenbur­g, das für die verfassung­swidrige Formulieru­ng im Gesetz selbst verantwort­lich war, will sich nun drücken«, kritisiert Fuchs.

Sollte sich die Landesregi­erung tatsächlic­h weigern, alle Betroffene­n auszuzahle­n, werde man die Rückerstat­tung »gerichtlic­h durchsetze­n«, droht Florian Blume, Sprecher der Brandenbur­gischen Studierend­envertretu­ng.

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Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er 2013 bei einer Juravorles­ung an der Universitä­t Potsdam

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