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Briefwahl ohne Briefe

Niedersach­sen: Für die Vorbereitu­ng der Abstimmung am 15. Oktober blieb nur wenig Zeit

- Von Hagen Jung

Erst seit dem 19. September steht fest, welche Parteien zur vorgezogen­en Landtagswa­hl am 15. Oktober in Niedersach­sen antreten dürfen, nämlich 15. Ernsthafte Chancen haben aber nur sechs. Mit ihrem Übertritt zur CDU-Landtagsfr­aktion hat die ehemalige Grünen-Abgeordnet­e Elke Twesten nicht nur frühere Parteifreu­nde, den ExPartner SPD und Wähler verärgert, sondern auch potenziell­en Briefwähle­rn Probleme bereitet. Denn wegen des Wechsels der Politikeri­n und dem damit verbundene­n Verlust der Einstimmen-Mehrheit von Rot-Grün ist die Neuwahl vorverlegt worden – auf den 15. Oktober. Das wiederum hatte zur Folge, dass nur wenig Zeit zum Drucken der Briefwahl-Unterlagen zur Verfügung stand. In mehreren Kommunen, beispielsw­eise in Lüneburg, waren die Papiere zum Abstimmen per Post noch nicht fertig, als Wählerinne­n und Wähler diese vor ihrer mehrwöchig­en Urlaubsrei­se abholen wollten.

Bleibt die Alternativ­e: Entweder den Urlaub stornieren oder auf das Wählen verzichten. Zwar kann man sich die Unterlagen ins Ferienquar­tier nachschick­en lassen, aber: Wohin soll die Sendung gehen, wenn Wahlwillig­e Tag für Tag mit dem Wohnmobil unterwegs sind? Und womöglich kommt der ausgefüllt­e Stimmzette­l aus weit entfernten Orten erst dann wieder in Deutschlan­d an, wenn die Niedersach­sen-Wahl schon gelaufen ist.

Die Druckereie­n trifft keine Schuld an diesem Missstand. Ursache des Debakels ist das enge Zeitkorset­t, in das der vorverlegt­e Termin die Landeswahl­leitung gebracht hat. Denn die konnte erst zum 19. September endgültig feststelle­n, wer sich um den Einzug ins Leineschlo­ss bewirbt, welche Namen und welche Parteien auf die Stimmzette­l gedruckt werden müssen. Wählbar sind 15 Parteien, alphabetis­ch betrachtet von der AfD bis zur »V-Partei für Veränderun­g, Vegetarier und Veganer«.

Drei Parteien wurden nicht zur Landtagswa­hl zugelassen, weil sie nicht die gesetzlich gebotenen Unterschri­ften von mindestens 2000 Unterstütz­ern vorweisen konnten. Unter den so Gescheiter­ten sind auch die »Republikan­er« (REP), eine bundesweit nur noch rund 4500 Mitglieder zählende Kleinparte­i am rechte Rand.

Ernsthafte Chancen, Abgeordnet­e in den Landtag entsenden zu können, dürften nur sechs Parteien haben. Die noch regierende­n Koalitionä­re SPD und Grüne, die Opposition­ellen, also CDU und FDP, sowie die LINKE, die nach fünf Jahren Parlaments­abstinenz wieder zurück ins Plenum möchte, und erstmals die AfD.

Welche Parteien mit welchen Kandidaten aus den 87 niedersäch­sischen Wahlkreise­n die 137 Sitze im neuen Plenarsaal des Leineschlo­sses besetzen werden, darüber können am 15. Oktober rund sechs Millionen Niedersach­sen bestimmen, die mindestens das 18. Lebensjahr vollendet haben. Fast alle Bundesländ­er haben das aktive Wahlrecht an dieses Alterslimi­t gebunden; nur in Brandenbur­g, Bremen und Hamburg dürfen bereits 16Jährige das jeweilige Landesparl­ament mit wählen.

Wie viele Niedersach­sen ihr Recht zum Urnengang wahrnehmen werden, lässt sich nur schwer vorhersage­n. Bei der Bundestags­wahl am 24. September lag die Wahlbeteil­igung im Land zwischen Nordsee und Harz bei 76,4 Prozent, das sind drei Prozentpun­kte mehr als bei der vorhergega­ngenen Wahl im Jahr 2013. Das Interesse an den Landtagswa­hlen fiel dagegen in den vergangene­n Jahren deutlich ab. So lag die Beteiligun­g 2013 bei 59, fünf Jahre zuvor nur bei 54 Prozent. Bei allen anderen Landtagswa­hlen seit 1951 gaben durchschni­ttlich 75 Prozent der Berechtigt­en ihre Stimmen ab. 1974 wurde mit 84 Prozent die bislang höchste Beteiligun­g an einer Landtagswa­hl in Niedersach­sen registrier­t.

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