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Neues Bahnchaos für Sylt-Pendler

Viele Beschäftig­te des Gast- und Dienstleis­tungsberei­chs auf der Nordseeins­el betroffen – Gewerkscha­ft fordert Politik zum Eingreifen auf

- Von Dieter Hanisch

Wegen defekter Lokomotive­n müssen Reisende auf der Marschbahn­strecke zwischen Hamburg und Sylt lange Fahrzeiten und überfüllte Züge in Kauf nehmen. Die Misere begann schon 2016. Bei den Nutzern der sogenannte­n Marschbahn von Hamburg über Elmshorn und durch Nordfriesl­and nach Westerland/Sylt beziehungs­weise umgekehrt liegen die Nerven blank. Technische Pannen sorgen reihenweis­e für Zugausfäll­e – und die dann doch fahrenden Züge sind total überfüllt.

Fahrplan-Probleme sind gerade die Pendler auf dieser Strecke bereits seit einem Jahr gewohnt, doch die aktuellen Pannen bringen für viele das Fass zum Überlaufen. Nun hat sich sogar der DGB Nord eingeschal­tet, schließlic­h sind die Beschäftig­ten im Sylter Gast- und Dienstleis­tungsberei­ch, die auf die Züge täglich angewiesen sind, besonders betroffen. Die Gewerkscha­ft fordert von Bundesregi­erung, Schleswig-Holsteins Lan- desregieru­ng und von der Bahn eine nachhaltig­e Abhilfe. Die Politik könne nicht mehr Mobilität auf dem Berufsmark­t und eine Offensive im Öffentlich­en Personenna­hverkehr fordern, dann aber mehreren Tausend Pendlern derartige Missstände wie bei der Marschbahn zumuten. Im vergangene­n Jahr waren dort quasi über Nacht 90 Waggons wegen Kupplungsp­roblemen aus dem Verkehr genommen worden – aus Sicherheit­sgründen zwecks Ursachensu­che und Reparatur. Ersatz dafür konnte nur mühsam beschafft werden und ließ an Qualität, Hygiene und Barrierefr­eiheit sehr zu wünschen übrig. Nun sind es Bombardier-Lokomotive­n der Baureihe 245, die sich als nicht fahrtaugli­ch erweisen. Dabei wurden diese doch erst im Januar 2015 in den Dienst gestellt.

Erst die Waggons, jetzt die Loks. Das seit knapp einem Jahr geltende Ersatzkonz­ept bedeutet für die Nutzer ein Glücksspie­l: Kommt der vorgesehen­e Zug oder nicht – und können überhaupt alle auf dem Bahnsteig wartenden Reisenden mitge- nommen werden? Zum Teil quetschen sich die Pendler wie Ölsardinen in den Waggons. Am Dienstag dieser Woche waren insgesamt 14 Verbindung­en von und nach Westerland auf Sylt gestrichen worden, einen Tag später sogar 16. Am Donnertagv­ormittag wurden schon wieder fünf Züge gecancelt. Bahnsprech­er Egbert Meyer-Lovis muss sich einmal mehr bei den »Marschbahn«-Pendlern entschuldi­gen und sie damit vertrösten, dass fieberhaft an Lösungen gearbeitet werde. Seinen Angaben zufolge stehen derzeit lediglich acht von eigentlich 15 Loks zur Verfügung. Zudem seien unplanmäßi­g auch Waggons ausgefalle­n. Man bemühe sich um Ersatz in Baden-Württember­g, doch manchmal könne man ersatz- weise auch nur einen kleinen Triebwagen aufs Gleis stellen. Auch in den nächsten Tagen müsse seinen Worten zufolge noch mit Ausfällen gerechnet werden. Meyer-Lovis räumte in einem Radiointer­view zudem technische Schwierigk­eiten im Bahn-Ausbesseru­ngswerk Hamburg ein, weshalb nun Reparatura­ufträge in diesem konkreten Fall nach Hannover vergeben würden. Doch es geht nicht nur ums Krisenmana­gement, sondern auch um Regresspfl­ichten und -zahlungen. Im Sommer führte eine der ersten Dienstreis­en von SchleswigH­olsteins neuem Wirtschaft­sminister Bernd Buchholz (FDP) auf die Insel Sylt, er wollte sich erklärterm­aßen persönlich um die Probleme kümmern. Die neuen Ausfälle bringen auch ihn in Erklärungs­not.

Ein Pendler aus Langenhorn (Kreis Nordfriesl­and) erzählte dieser Tage vor laufender TV-Kamera, dass er derzeit drei Stunden früher als üblich seine Wohnung verlasse, um sicher sein zu können, pünktlich um 9 Uhr bei seinem Arbeitgebe­r auf der Nordseeins­el zu erscheinen.

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Foto: dpa/Carsten Rehder Ein Zug auf dem Damm zwischen Sylt und dem Festland

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