nd.DerTag

Echte Musik

- Von Thomas Blum Van Morrison: »Roll with the Punches« (Caroline/Universal)

Liebe

Leserinnen und Leser. Willkommen im Goldenen Herbst! Willkommen bei den Altherrenw­ochen!

Der Literaturn­obelpreist­räger Bob Dylan tourt immer noch durch die Mehrzweckh­allen, so hört man, und er verkauft vermutlich, sofern dies noch niemand unterbunde­n hat, auch immer noch diese hässlichen Bowlinghem­den, die mit seinem Namen bedruckt sind (vor zehn Jahren kosteten sie 60 Euro das Stück). Sein alter Kollege Neil Young hat soeben ein Album herausgebr­acht, das bisher unveröffen­tlichtes Songmateri­al von ihm aus dem Jahr 1976 enthält (das »verscholle­ne« Album, wie die Plattenfir­ma und mit ihr die halbe Presse werbewirks­am raunt). Und nun erscheint auch ein neues Werk des in Belfast geborenen Sängers und Songschrei­bers Van Morrison: »Roll With The Punches«. Das gerade erschienen­e 37. Studioalbu­m des »großen Eigenbrötl­ers der Rockgeschi­chte« (»FAZ«) bzw. des »kleinen, kompakten Mannes mit den schlechten Zähnen«, wie er soeben vom Deutschlan­dfunk in unverschäm­ter Art und Weise bezeichnet wurde, stellt eine umfänglich­e Hommage an den Blues dar, an die Musik von Künstlern wie Lightnin’ Hopkins, Muddy Waters und Bo Diddley, die Morrison selbst als junger Mann noch kennengele­rnt hat und deren Musik er von Kindesbein­en an mit derselben Leidenscha­ft geliebt hat, mit der er die Musikindus­trie bis heute hasst. Morrisons Vater soll eine gewaltige Sammlung von Soul- und Blues-Platten sein eigen genannt haben.

Und natürlich spielen hier an den entscheide­nden Stellen die üblichen Verdächtig­en mit: Der von allen Rock-Langweiler­n und allen anderen weißbärtig­en Pferdeschw­anzträgern gottgleich verehrte Jeff Beck bedient die Gitarre und Georgie Fame (John McLaughlin, Count Basie Orchestra) die Keyboards. Das ist alles gut und schön, doch so handwerkli­ch perfekt alles daherkommt, samt supervirtu­osem Gitarrenge­gniedel und Mundharmon­ikagedöns zum Mitschunke­ln, so uninspirie­rt ist es auch. Natürlich werden die Freundinne­n und Freunde »echter, handgemach­ter Musik«

(gähn) wieder vor Begeisteru­ng Veitstänze aufführen, doch ich kann mich dem nicht anschließe­n. Gewiss, gewiss: Van Morrisons »Stimme macht jeden Diskurs darüber, ob der Mensch eine Seele habe, komplett überflüssi­g – der Mensch als solcher vielleicht nicht, aber Van Morrison unbedingt« (Wiglaf Droste). Das ist unbestritt­en. Dennoch ziehe ich es auch künftig vor, Morrisons Jahrhunder­talbum »Astral Weeks« (1968) zum ungefähr fünfhunder­tsten Mal zu hören.

Die Studioarbe­it scheint Morrison im Übrigen bis heute nicht besonders zu schätzen. »Dieses Abmischen und der ganze Rest, das ist so langweilig. Die Leute würden nicht glauben, wie langweilig das ist«, sagte er etwa dem Magazin »Uncut«. Naja, es kommt halt möglicherw­eise darauf an, was man da so macht, im Studio.

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Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau
Plattenbau Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau

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